Bild nicht mehr verfügbar.

Berka sieht im Ehrenkodex der Presse bisher "Gemeinplätze ohne regulierende Kraft".

Foto: APA/Stringer

Wien - Ein offizieller Termin, noch vor Weihnachten, zwischen Journalistengewerkschaft und Zeitungsverband, dann soll der neue Presserat stehen. Was an Plänen durchsickerte, lässt den renommierten Salzburger Verfassungsrechtler Walter Berka zweifeln.

  • Rechtsweg "In höchstem Maße problematisch, fast anstößig" fände Berka, wenn Betroffene für Beschwerden beim Presserat auf den Rechtsweg verzichten müssen. Darauf bestanden die Zeitungen, die Gewerkschaft lenkte ein. Berka an der Akademie der Wissenschaften: "Selbstkontrolle darf kein Surrogat für den Schutz von Grundrechten sein und diesen auch nicht aushebeln." Grundrechte auf Schutz von Ehre und Privatsphäre etwa.
  • Ehrenkodex Presserat, auch Medienrecht berufen sich auf den Ehrenkodex der Presse. Aber: "Der bisherige Kodex war nicht mehr als eine Ansammlung von mehr oder weniger pathetisch formulierten Gemeinplätzen ohne regulierende Kraft." Berka erwartet vom Presserat "nachvollziehbare Normen für Verhalten in Konfliktsituationen".
  • Online, Offline Der Presserat müsse für Online- wie Offlinemedien zuständig sein.
  • Zivilgesellschaft Medien haben eine öffentliche Aufgabe, also könnten sie sich Qualitäts- und Ethikfragen nicht untereinander ausmachen, findet Berka: Vertreter von Konsumenten, externe Experten sollten die "Zivilgesellschaft" im Presserat repräsentieren und so für Unabhängigkeit sorgen.
  • Transparenz ist für Berka eine weitere Bedingung: "Selbstregulierung darf nicht im Hinterzimmer eines verschwiegenen Interessenausgleichs stattfinden."
  • Durchsetzungskraft "Öffentlicher Tadel" sei "wirksame Sanktion".
  • "Erstaunlich" findet Berka, dass die Republik nur ein "repräsentatives" Selbstkontrollorgan für dessen Förderung fordert und "auf weitere Anforderungen an Qualität, Unabhängigkeit oder Transparenz verzichtet. - Hier ließe sich leicht nachbessern."

Berka kann Selbstkontrolle einiges abgewinnen. Denn: "Objektivität, Meinungsvielfalt oder publizistische Relevanz lassen sich zwar durch Rechtsvorschriften proklamieren, aber kaum erzwingen oder gewährleisten." Dem steht die Medienfreiheit entgegen.

Als "wirkungsvollste Ergänzung jeder Selbstregulierung" sieht Berka interne Qualitätssicherung der Medien, etwa durch Ombudsleute. Auch sie könnte "staatliche Koregulierung unterstützen".

Vor dem geplanten Paparazzi-Paragrafen im Medienrecht warnt Berka: "So unscharf formuliert, dass auch harmlos gemeintes Fotografieren in den Grenzbereich des Strafbaren geraten könnte." (Harald Fidler/ DER STANDARD; Printausgabe, 11.11.2009)

---> O-Töne: Berka über "Schreibknechte, Demokratie und "Lebensluft"

Die geplante Novelle zum Medienrecht mit höheren Entschädigungen und einem strafrechtlichen Paparazzi-Paragrafen ist für Verfassungsrechtler Berka ein...

"... Beispiel dafür, wie sensibel und schwierig jede Form der medialen Inhaltsregulierung (Content-Regulierung) ist, und wie wenig gesichert zugleich ihre Erfolgsaussichten sind, weil man sich letztlich skeptisch fragen muss, ob solche Regelungen, wie im Entwurf vorgesehen, wirklich dazu führen würden, dass die an der Auflage oder der Einschaltquote orientierten Massenmedien tatsächlich vorantwortungsvoller agieren oder nicht nur neue Strategien der Vermarktung der immer gleichen Sensation finden, auch wenn das auf Kosten der Mitmenschen geht."

Berka sieht den Persönlichkeitsschutz bedroht durch...

"...gewisse Erscheinungsformen des heutigen Journalismus, der kaum mehr Grenzen von Scham und Anstand respektiert."

---> Berka über Gesellschaft und Demokratie

 Berka sieht die Gesellschaft...

"... in einem Maße wie nie zuvor auf die Leistungen eines verantwortungsvollen, kritischen und professionellen Journalismus angewiesen sind, zugleich ist aber die Erbringung dieser Leistungen alles andere als gesichert."

"Die Demokratie ist auf unabhängige, leistungsfähige Massenmedien angewiesen wie auf ein Stück notwendiger Lebensluft, und zwar auf Massenmedien, die sich den Angelegenheiten der res publica zuwenden, zugleich aber die nötige Distanz zur Politik wahren, auf Medien, welche die Macht kritisch kontrollieren, ohne selbst nach politischer Macht zu streben, auf Medien, welche die Menschen objektiv und sachkundig informieren und der Vielfalt der gesellschaftlichen Meinungen Raum geben."

---> Berka über den Staat und Medienfreiheit

Berka über ein grundsätzliches Spannungsverhältnis:

"Ein unmittelbarer Einfluss auf das publizistische Geschehen wäre dem Staat auch nicht möglich, ohne die Medienfreiheit zu beschneiden. Denn unter den Aspekten dieses Grundrechts kann und darf der Staat oder die Rechtsordnung journalistische Qualität nicht dekretieren, eine staatlich verordnete Objektivität der Medienberichterstattung oder auch nur eine sanktionierte Pflicht zur Wahrhaftigkeit wären mit unserem Verständnis von Meinungs- und Medienfreiheit nicht vereinbar.

Daher dürfen die Medien auch rechtlich folgenlos gegen jene Pflichten verstoßen, die wir mit dem öffentlichen Auftrag der Massenmedien üblicherweise verbinden; sie dürfen lügen und manipulieren, sie dürfen sich korrumpieren lassen oder sich bei ihrer Berichterstattung billigen Sensationen zuwenden - alles das ist mit den Mitteln des Rechts überhaupt nicht greifbar. In ihrem Grunde lässt sich daher die öffentliche Aufgabe der Medien nicht mit den Mitteln des Rechts erzwingen.

Das Grundrecht gibt den Massenmedien keine Freiheit zur Manipulation oder zur hemmungslosen Verfolgung kommerzieller Interessen, auch wenn es eine Freiheit gewährleistet, die ihren Missbrauch möglich macht."

---> Berka über den Presserat und journalistische Arbeitsbedingungen

Berka zum geplanten Presserat:

"Vielleicht sollte man den angekündigten Presserat-Neu als einen Schritt in die richtige Richtung begrüßen, obwohl ich Zweifel habe, dass er in der Ausgestaltung, wie sie sich gegenwärtig abzeichnet, den Bedingungen der gesicherten Unabhängigkeit, Transparenz und Durchsetzungskompetenz wirklich ausreichend entspricht."

Berka über journalistische Arbeitsbedingungen:

"An die Stelle von verantwortungsvoll agierenden Journalisten treten heute „Content-Produzenten", in früheren Zeit sprach man mit viel ehrlicher von „Schreibknechten", und die Flucht aus dem Kollektivvertrag für Journalisten, die es heute in Österreich gibt, steht symptomatisch für den Umstand, dass unter prekärer gewordenen Arbeitsbedingungen für Journalisten - wozu vor allem auch die Finanzkrise wesentliches beiträgt - auch jeder noch so bemühte Qualitätsjournalismus in Bedrängnis gerät."