Diesmal wird es auch die israelische Rechte schwer haben, den Besuch von Premier Benjamin Netanjahu bei Barack Obama als Fest der ungetrübten Freundschaft zu verkaufen, bei dem der US-Präsident vor laufenden Kameras eben ein bisschen wild tun muss, aber hinter den Kulissen aus dem Lächeln nicht mehr herauskommt. Die Beziehungen zwischen den USA und Israel sind angeschlagen. Dass Obama - warum auch immer - die Siedlungsstopp-Fahne nicht mehr vor sich herträgt, heißt nicht, dass er sich mit Netanjahus Politik abgefunden hat.

Und er ist das offenbar wieder zu zeigen bereit, im Gegensatz zu Außenministerin Hillary Clinton vor zehn Tagen in Jerusalem. Die New York Times schreibt, dass Clinton von Netanjahu verlangt habe, in die Richtlinien für die Verhandlungen mit den Palästinensern einen Hinweis auf die 1967er-Grenzen und Ostjerusalem aufzunehmen. Netanjahu verweigerte - und erntete dennoch öffentliches Lob von Clinton. Was den resignativen Tendenzen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den letzten Schub gegeben haben dürfte.

Aber auch bei anderen verfängt Netanjahus Beteuerung, dass Friedensverhandlungen sein allerinnigstes Anliegen sind, nicht so gut. Frankreich zeigt sich besonders erbittert, Außenminister Bernard Kouchner zweifelte am Dienstag Israels prinzipiellen Friedenswillen an. Sogar der unerschütterliche Freund Deutschland zeigt Ermüdung. Tatsächlich ist Netanjahus demonstrierter Verhandlungswille mit einer Reihe von A-priori-Neins gespickt. Alles, was hinter den Kulissen in den letzten Monaten der Bush-Regierung im sogenannten Annapolis-Prozess erreicht wurde, soll wieder vom Tisch sein. Sein "ohne Bedingungen" heißt, gar nichts gilt mehr - für Israel.

Noch immer laufen die Spekulationen, ob Abbas seine Ankündigung, bei Wahlen nicht mehr antreten zu wollen, rückgängig machen oder auch einfach die Wahlen absagen und Präsident bleiben könnte. Aber gleichzeitig taucht die Sorge auf, dass die Palästinenserbehörde als Ganzes kollabiert. Vielleicht möchten ja jene Personen aus dem Umkreis Abbas', die diese Möglichkeit in fast konzertierter Manier ansprechen, nur den Druck auf jene erhöhen, die auf Abbas nicht verzichten möchten. Aber ganz vom Tisch zu wischen ist das nicht.

Abbas ist eine Säule von Obamas Nahostpolitik, ein Ersatz ist schwer zu finden. Einem Teil der israelischen Regierung wird er nicht als der vielgepriesene Friedenspartner abgehen - nicht alle wollen einen solchen -, sondern vor allem als verlässliches Bollwerk gegen die Hamas. Da könnten in der Tat die Fronten in Bewegung geraten, wenn die alte Garde nicht mehr am Ruder ist.

Abbas erlebt sich selbst zunehmend als - unbelohnten - Garanten für einen Status quo. Wenn es nicht einmal dem US-Präsidenten gelingt, etwas mehr für ihn herauszuholen - statt eines Baustopps gibt es eine zeitlich begrenzte "großzügige Beschränkung" (so beschrieb ein israelischer Offizieller Netanjahus Botschaft an Obama) auf 3000 Wohnungen -, worauf sollte der alte Mann dann wirklich noch warten? Was soll er seinen Wählern sagen?

Fünfzehn Jahre ist die Palästinenserbehörde ihrerseits nun alt. Zu ihrem Scheitern haben viele - in einem großen Ausmaß auch sie selbst - beigetragen. Vor allem aber liegt ihm die prinzipielle Uneinigkeit darüber zugrunde, wozu sie geschaffen wurde - ob sie die Palästinenser in einen Staat führen sollte und in was für einen. Den berechtigten Fragen Israels zu den palästinensischen Absichten und Fähigkeiten stehen ebenso berechtigte palästinensische Fragen gegenüber. Abbas scheint sie für sich beantwortet zu haben. Obamas Kühle gegenüber Netanjahu wird daran auch nichts ändern.(Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2009)