Bio-Mehl der Marke Ja! Natürlich gerät ins Visier der Staatsanwaltschaft.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Analysen haben verbotene Pestizide in Biomehl der Rewe zutage gebracht. Der Fall liegt beim Staatsanwalt. Produzenten sprechen von Manipulation. Für die Lebensmittelkette sind die Vorwürfe haltlos.

Wien – Die Biobranche gerät in die Mühle der Justiz. Im Visier ist das Geschäft mit Getreide, betroffen ist der Handelskonzern Rewe. Auslöser ist mit Pestiziden belastetes, als biologisch ausgewiesenes Mehl.

Vor kurzem gingen zwei entsprechende Anzeigen bei den Staatsanwaltschaften Wiener Neustadt und Krems ein. Eingebracht hat sie das Wiener Rechtsanwaltsbüro Widter Mayrhauser Wolf. Beigelegt waren drei Prüfberichte der Lebensmittelversuchsanstalt. Diese hat diverse Proben von Biomehl der Marke Ja! Natürlich auf Schadstoffe hin analysiert und ist fündig geworden.

Selbst nach Abzug der Messtoleranz liege eine zum Teil hohe Überschreitung der Grenzwerte vor. Es könne sich dabei nicht mehr um ei-ne unvermeidbare unbeabsichtigte Kontaminierung handeln, heißt es in der dem Standard vorliegenden Anzeige. In der chemischen Untersuchung kamen die Pestizide Piperonylbutoxid und Chlorpyrifosmethyl zutage. Zweiteres ist in Österreich verboten. Von ersterem, das als Lagerschutzmittel gegen Kornkäfer eingesetzt wird, fanden sich im Kilo glatten Waldviertler Weizenmehls 0,065 Milligramm. Verantwortlicher Erzeuger ist die Erste Raabser Walzmühle Dyk. Sie versorgt Rewe mit jährlich rund tausend Tonnen Biomehl. Für ihre Chefin Lisa Dyk sind die Gründe der Verunreinigungen nicht zu erklären. Sie vermutet Manipulation, es habe bereits mehrere Versuche gegeben, ihren Betrieb zu diskreditieren. Für den Einkauf des Getreides sorgte neben Pinczker in erster Linie Crop Control – Tochter der Saatbau Linz und Dienstleister der Rewe. Auch ihr Chef Karl Fischer misstraut den Proben, sagt er.

In der Anzeige stehen andere Behauptungen: Rewe habe die Lieferungen offenbar ungeprüft übernommen, der Konsument sei geschädigt worden, da für Biomehl mehr zu bezahlen sei als für konventionelles. Man gehe jedem Vorwurf nach, sagt Martina Hörmer, Chefin von Ja! Natürlich. Dieser sei für sie nicht nachvollziehbar, die ganze Vorgehensweise sei unüblich. "Wir wurden von der Behörde nicht informiert." Allein der Weizen der Mühle sei heuer sechs Mal überprüft worden. "Alle Befunde waren negativ." Anwalt Johannes Wolf bestätigt seine Eingabe der Anzeige – er schließe aus, dass beim Weg von der Filiale zur Untersuchung was passiert sei. Die Staatsanwaltschaft sei am Zug.

Dem Korn auf der Spur

Dyk selbst erzählt von der mehr als 30 Jahre langen Erfahrung ihrer Mühle im Biogeschäft. Jeder Verdachtsfall gehöre geprüft, sagt Michael Gartner, Chef der Lebensmittelversuchsanstalt. In vielen Fällen passiere die Verunreinigung beim Transport. Josef Ritt von der Austria Bio Garantie schließt Probleme im Lager nicht aus, vor Manipulation sei aber keiner gefeit. Nun werde "akribisch nach den Ursachen" der Kontaminierung geforscht.

Detail am Rande: Der Pestizidgehalt im Getreide sinkt im Laufe der Verarbeitung, sagt Gartner. Dass er beim Korn um bis zu fünf Mal höher ist als im Mehl, wie kolportiert wird, könne er so nicht bestätigen.

Für Marktkenner ist Getreide die Achillesferse des Biogeschäfts. Es geht um viel Geld: Die Spanne zwischen konventionellem und biologischem Getreide ist anders als et-wa bei Milch hoch. Je Tonne kann es Preisdifferenzen von bis zu 250 Euro geben. Und das zieht schwarze Schafe an. Vor einigen Jahren erschütterte die Branche ein Skandal um falsch deklariertes biologisches Futtergetreide. Im Zuges eines Prozesses kam es zu Verurteilungen.

Mittlerweile ist ein offener Krieg ausgebrochen, in dem die Handelsketten mit Bioverbänden um die Vormacht ringen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.11.2009)