Es hat nicht lange gedauert, bis die ÖVP in Oberösterreich wieder ihr wahres Gesicht zeigte. Noch im Wahlkampf schrieb sie es sich auf ihre Fahnen, den Gratiskindergarten für alle auch in die Tat umgesetzt zu haben. Jetzt, sieben Wochen nach der Wahl, belohnt die Regierungspartei jene Eltern, die ihre Sprösslinge nicht in den Kindergarten schicken. Es lockt ein Betreuungsbonus von 700 Euro im Jahr. Offensichtlich haben die Christdemokraten in Oberösterreich den Weg zurück zu ihren traditionell konservativen Wurzeln eingeschlagen: Auf Kirche, Kinder, Küche ist ihre Frauenpolitik nach wie vor fokussiert.

Denn wider besseres Wissen von Experten, die einen Kindergartenbesuch ab drei Jahren für die soziale Entwicklung als unabdingbar ansehen, unterstützt die ÖVP jene, die auf diese Frühförderung verzichten. Sie begründet ihren Vorstoß mit dem Herstellen einer Wahlfreiheit; die 700 Euro sind quasi eine erhöhte Aufwandsentschädigung für Hausbetreuung. Der Option Berufstätigkeit schenkt sie allerdings nicht die gleiche Anerkennung, denn wer sich für die Fremdbetreuung entscheidet, bekommt weiterhin nur 400 Euro.

Hinzu kommt auch noch die ökonomische Überlegung, möglichst wenigen das Wahlkampfzuckerl schmackhaft zu machen. 50 Millionen Euro pro Jahr kostet es das Land, wenn alle Kinder gratis einen Kindergarten besuchen. In den nächsten sechs Jahren fehlen jedoch 2,6 Milliarden Euro im Landesbudget. Vielleicht sollte sich die ÖVP künftig vorab die Finanzierung von Wahlversprechen besser überlegen. (Kerstin Scheller/DER STANDARD-Printausgabe, 12.11.2009)