Kein Asyl, kein Schutz vor Abschiebung: Für Arigona Zogaj und ihre Familie ist der Tag der Zwangsausreise nähergerückt.
Der Schock saß nach eigenen Angaben tief, als Christian Limbeck-Lilienau am Donnerstag "so wie jeden Morgen" das Radio aufdrehte. Wie ein "Schlag ins Gesicht" sei es gewesen, als er die Nachricht vernahm, dass Arigona Zogaj – wie in den Nachrichten berichtet wurde – abgeschoben werden solle.
Limbeck-Lilienau, den man in der 5000-Seelen-Gemeinde Frankenburg zumindest nach außen hin respektvoll "den Herrn Baron" nennt, ist die graue Eminenz im Fall Zogaj. In seinem Besitz befindet sich das Schloss Frein an der Südeinfahrt des Ortes. Dort stellt der 63-Jährige der 17-jährigen Arigona, ihrer Mutter Nurie und den beiden jüngsten Kindern seit zwei Jahren kostenlos eine Wohnung zur Verfügung.
Dass in dem bereits langjährigen Fall Zogaj (siehe Chronologie) bald wieder "etwas passieren" werde, habe er in den vergangenen Wochen schon erwartet, erzählt Limbeck-Lilienau im Gespräch mit dem Standard: "Die Stimmung in der Bevölkerung, und zwar nicht nur in Frankenburg, ist bereits seit längerem gekippt. Keine Rede mehr von Solidarität. Da hat die Politik in den letzten Jahren ganze Arbeit geleistet."
Hart ins Gericht geht der Schlossherr mit dem heimischen Klerus: "Bis auf den Pfarrer Friedl hat sich doch keiner in der Kirche gerührt (siehe Interview). Wo waren denn der Herr Kardinal und der Linzer Bischof?" Arigona selbst sei seit geraumer Zeit psychisch angeschlagen. "Es hat ihr vor allem Probleme bereitet, dass sie am 12. Jänner 18 Jahre und damit volljährig wird" – und damit dem stärkeren Abschiebeschutz als Minderjährige verliert, sagt Limbeck-Lilienau. An ein positives Ende im Fall Zogaj glaubt er nicht mehr: "Da ist wohl nichts mehr zu machen. Ich werde mich nicht vor mein Schloss stellen und der Fremdenpolizei den Weg versperren."
Doch dieser für die junge Kosovarin so angstbesetzte Moment könnte noch auf sich warten lassen. "Mit heutigem Tag, dem 12. November, wurde der Familie die mit einer Ausweisung verbundene Asylablehnung des Bundesasylamts zugestellt. Das hatten wir erwartet – und dagegen werden wir berufen. Das jahrelange Zittern geht weiter" , sagt Christian Schörkhuber, Leiter der Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung der Volkshilfe Oberösterreich. Die Zeit bis zu einer Entscheidung über die Berufung können die Zogajs in Österreich zubringen.
"Wirklich überraschend" sei vielmehr, dass Arigona und ihrer Mutter auch der – gleichzeitig mit dem Asylersuchen beantragte – subsidiäre Schutz nicht gewährt worden ist. Dieser Status kommt Flüchtlingen zu, die keine klassischen Asylgründe vorweisen können, denen aber eine Abschiebung aus menschenrechtlichen Gründen nicht zugemutet werden kann.
Arigona stationär behandelt
Etwa weil ihr Gesundheitszustand zu wünschen übrig lässt, wie es laut Schörkhuber bei Arigona und Nurie Zogaj eindeutig der Fall ist. "Arigona war wegen ihres psychischen Zustandes und wegen massiver Suizidgefahr zuletzt einen Monat lang in stationärer Behandlung. Das war den Beamten im Innenministerium sehr wohl bekannt. Jeder, der nur ein bisschen Verstand hat, weiß, dass so eine schockierende Meldung zu einer Kurzschlusshandlung führen kann" , schildert der Helfer.
Doch laut Arigona Zogajs Asylbescheid, der dem Standard vorliegt, existieren in dem Fall keine "außerordentlichen" medizinischen Umstände. "Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert, ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen ... Auch Selbstmordabsichten hindern eine Abschiebung für sich genommen nicht" " ist in dem Behördenschreiben zu lesen.
"Empörend" ist laut Schörkhuber zudem, dass die Kronen Zeitung noch vor den Zogajs und deren Anwalt Helmut Blum von der Asylablehnung erfahren hat: Das Blatt machte damit seine Donnerstagausgabe auf. Also müsse der Kronen Zeitung der Bescheid noch vor dem offiziellen Zustellungstermin zugespielt worden sein, kritisierte Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun. Sie vermutete "Amtsmissbrauch" durch das Innenministerium – doch dort nimmt Sprecher Rudolf Gollia selbst dieses Wort in den Mund: "Staatsanwaltschaft oder Polizei müssen jetzt tätig werden".
Für Aufregung sorgte am Donnerstag auch eine Aussendung des Bundes sozialdemokratischer AkademikerInnen (BSA) Klagenfurt, laut der der Umgang mit den Zogajs "an die menschenverachtenden Praktiken des NS-Regimes an der jüdischen Bevölkerung vor genau 70 Jahren" erinnere, ÖVP-Seniorenbundobmann Andreas Khol forderte von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) einen "Ordnungsruf". (Irene Brickner/Markus Rohrhofer, DER STANDARD – Printausgabe, 13. November 2009)