Wien - Es lehnt der Prinz an der Holzwand des gruftigen Einheitsraumes, rupft und bastelt an einem Siegeskranz. Ganz weltverloren. Ob er später jedoch mit heftiger Geste Soldaten in die Schlacht schickt oder sich ein bisschen verliebt - als einer von dieser Erde wirkt er auch da nicht. Er hält der Welt sein schwärmendes Wesen entgegen, hält sich die Welt gleichsam mit Träumen vom Leib. So bleibt die Welt ein Toben außerhalb dieses kahlen Holzraumes, in dem Waschbecken, Spiegel und eine Leuchtröhre schon die ganze Innenausstattung bilden.
Was dieser Raum (Dirk Becker) dann wirklich ist, darüber lässt sich grübeln. Ein Kerker, ein Bunker, eine Gruft, eine Fantasie. Von allem ein bisschen was und dann auch alles zugleich? Regisseur Christof Loy nutzt das zwischen Traum und Wirklichkeit changierende Bewusstsein der Hauptfigur in Hans Werner Henzes Prinz von Homburg somit für ein szenisches Kammerspiel des Vieldeutigen und Unbestimmten.
Christian Gerhaher (im Eruptiven wie natürlich im Lyrischen von exzeptioneller Qualität) lässt Loy eine abgeschottete Person formen, die sich im Verborgenen hält und den Raum nie verlässt. Umso emsiger ist die Außenwelt bemüht, bei ihm vorstellig zu werden. Da ist der barocke Hofstaat mit dem strengen Kurfürsten (tadellos John Uhlenhopp) und der Prinzessin Natalie (hervorragend Britta Stallmeister), in die sich Prinz Homburg verliebt.
Schlacht bleibt draußen
Da ist indes auch der Krieg. Und vor allem an diesem zeigt sich der Charme dieser Inszenierung: All das blutige Getöse findet sich nur angedeutet, all der Schlachtenlärm ist draußen, nur als Staubwolke und Fahnenfetzen wird er in den gruftigen Raum hineingeweht. Das wirkt alles schön stilisiert erzählt und hat Flair. Und auch hier werden die Mittel des Lichts (Bernd Purkrabek) zum die Atmosphäre prägenden Element.
Seltsam ist nur eines. Christof Loy, der es vergangenen Sommer sogar geschafft hat, im sehr großen Festspielhaus zu Salzburg ein Händel-Oratorium präzise zu beleben, indem er jede Sängergeste mit Inhalt aufgeladen hat, stellt um den Prinzen herum eine etwas ratlos wirkende Gruppe, die nicht über betroffenes Herumstehen hinauskommt. Hin und wieder ergibt sich zwar ein interessantes Szenengemälde einer kollektiven Psyche. Zu oft jedoch dominiert eine Personenführung, die von Verlegenheit geleitet zu sein scheint.
Da mag sich die Gesellschaft schließlich ihrer barocken Gewänder und Perücken entledigen (der Prinz ist auch im Modischen dauerhaft ein romantischer Fremdkörper) und sich ganz auf 20. Jahrhundert stylen, als sollte sie jenes Deutschland abbilden, aus dem sich der Komponist Hans Werner Henze einst Richtung Italien verabschiedet hat. Es bleibt doch vieles ein bisschen träge und unfertig - umgesetzt allerdings von einem musikalisch gut funktionierenden Gesamtensemble.
Die Wiener Symphoniker sind unter der Leitung von Dirigent Marc Albrecht solid in der schillernden Noten- und Klangwelt Henzes unterwegs. Dass der kontrapunktische Kosmos oder die schummrigen Passagen zu mehr als nur zu einem transparenten Leben erweckt wurden, mag man jedoch nicht behaupten. Es gab indes reichlich Applaus. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD/Printausgabe, 14./15.11.2009)