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Gordon Brown und sein Außenminister David Miliband

Foto: Reuters/Melville

So soll sich der belgische Premierminister Herman Van Rompuy, christdemokratischer Anwärter für den Präsidentenjob, intern darüber beklagen, dass er viel zu früh der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Aus dem Kabinett des Niederländers Jan Peter Balkenende hört man, dass der weiter verbissen um seine Chance kämpft und Lobbying betreibt. Und aus den neuen Ländern aus Osteuropa werden immer mehr Namen genannt und gegen das deutsch-französische Vorschlagsduo gewettert.

Aber sonst ist es still. Man bemüht sich, nicht noch mehr aussichtsreiche Anwärter öffentlich zu verbrennen. Aus Verhandlerkreisen sickert durch, dass wieder alles offen sei; nach der Absage des britischen Außenministers David Miliband sogar die Vereinbarung zwischen den politischen Großfamilien, wonach ein Christdemokrat Präsident und ein Sozialdemokrat Außenminister werden soll, nicht unumstößlich sei. Das könnte auch wieder umgedreht werden.

In diesem Zusammenhang hat der renommierte Guardian-Kolumnist Simon Jenkins eine interessante Variante beschrieben, die seit dem verbissenen Beharren des britischen Premierministers Gordon Brown auf Tony Blair am Dienstag ins Spiel gekommen ist. Der Labour-Führer könnte am Ende selbst als erster ständiger Ratspräsident nach Brüssel wechseln. Und der charismatische David Miliband, mit 44 auch ausgereift und stark genug, könnte Premierminister werden - und Labour im Frühjahr in die fast aussichtslose Wahlschlacht gegen die Tories führen.

Das mag verwirrend erscheinen, nach alle den bisherigen Kandidatenspielen und Festlegungen. Aber es hat auch gute Gründe. Jenkins jedenfalls ist optimistisch: "Rechnen Sie mit einer Überraschung!", ruft er seinen Lesern nach.

Die Kernfrage ist zunächst: Wie stellen es die "big three" - die großen Führungsnationen der Union, Frankreich, Deutschland und Großbritannien - an, sich einen der Topjobs zu sichern. Denn es ist kaum denkbar, dass ausgerechnet jene Staaten, die dieses Modell stärkerer Repräsentation Europas in der Welt erfunden haben, nun darauf verzichten, es über einen ihrer Vertreter auch auszugestalten. Da Angela Merkel sich entschieden hat, den eher farblosen Ministerpräsidenten Oettinger nach Brüssel zu schicken und Frankreich den früheren Außenminister Michel Barnier auf einen Posten als Wirtschafts-Superkommissar wünscht, starren alle aufs Vereinigte Königreich. Aus diesem Grund waren bisher ja Tony Blair und später David Miliband so stark favorisiert worden.

Da Miliband nicht will und Blair offenbar nicht durchzubringen ist, läge Brown selber nahe. Für ihn wäre das ein idealer Zeitpunkt, in Ehren aus der britischen Innenpolitik auszuscheiden. Sein Rückstand auf den Tory-Führer David Cameron ist mit 15 Prozent praktisch nicht aufzuholen.

Die Partner in Europa könnten Brown weitaus weniger Verhinderungsgründe vorwerfen als Blair, obwohl er den Irak-Krieg mitgemacht hat. Aber Brown war damals Finanzminister und nur indirekt im "Kriegskabinett".

Zusätzlich müssen die Kontinentaleuropäer Brown vor allem dafür dankbar sein, dass er ihnen den Lissabon-Vertrag mit gerettet hat. Hätte er ein Referendum abgehalten, wie Blair das ursprünglich versprochen hatte, ein Nein wäre möglich, ja wahrscheinlich gewesen. So gesehen gäbe es ohne Brown die Wahl von Präsident und EU-Außenminister gar nicht.

Wenn auch mit geballten Fäusten würden wohl auch Europas Sozialdemokraten mit dieser Lösung am Ende einverstanden sein. Immerhin gehört Brown zu ihnen, immerhin hat er als Brite zuletzt die Finanztransaktionsssteuer befürwortet.

Und in der Welt außerhalb Europas müsste man sich für einen ehemaligen britischen Premierminister wohl nicht schämen: Der ist auf Augenhöhe mit Obama, Medvedew und Co.

Bliebe die Frage des EU-Außenministers zu klären, der dann von den Christdemokraten zu stellen wäre, und der eher aus einem kleinen Land kommen müsste. Da gibt es keinen Mangel: Carl Bildt aus Schweden, aber auch seine Kollegin Europaministerin Malmström zum Beispiel, würden das sofort machen.

Vielleicht ein Grund, warum Schweden noch immer keinen EU-Kommissar nominiert hat, anders als Österreich. Denn der Außenminister wird gleichzeitig Vizepräsident der EU-Kommission sein. Auch Österreich könnte da noch immer mitspielen: mit Wolfgang Schüssel, Ursula Plassnik, Benita Ferrero-Waldner als Außenministerkandidaten. Da José Manuel Barroso bis jetzt gezählte drei (!) Frauen für insgesamt 27 Kommissarsposten hat, ist das auch nicht abwegig. Weibliche Kandidaten sind dringend gesucht.