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Brutaler Verteilungskampf in der Krise:Mitarbeiter einer britischen Ölraffinerie demonstrieren gegen ihre Kollegen aus dem Ausland.

Foto: AP/Gowthorpe

Die britische Labour-Regierung begegnet der ökonomischen Krise und der steigenden Arbeitslosenzahl mit einer immer restriktiveren Einwanderungspolitik. Vom kommenden Jahr an werden Ausländer von zahlreichen qualifizierten Jobs ausgeschlossen. Betroffene Berufsgruppen sind Handwerker, Krankenschwestern und Ingenieuren, kündigte Premierminister Gordon Brown in London an.

Zudem sollen Visa für Sprachstudenten einer genaueren Prüfung unterzogen werden. Ausdrücklich stellte der Regierungschef die Maßnahmen als Reaktion auf das vernehmliche Murren in der Bevölkerung über immer neue Immigranten dar: "Ich habe nie der elitären Meinung zugestimmt, dass die Einwanderung nur ein Thema für Rassisten sei."

Sechs Monate vor der nächsten Unterhauswahl steht Labour gerade in den angestammten Arbeiterbezirken des Landes unter hohem Druck. Zwar siegte die Partei am Donnerstag bei der Nachwahl im bettelarmen Nordosten der schottischen Metropole Glasgow; im Wahlkampf hatten der Regierung aber die Parolen die neofaschistischen British National Party zu schaffen gemacht, die im Juni erstmals ins EU-Parlament einziehen konnte.

Billige Arbeitskräfte

Erst kürzlich hatte Innenminister Alan Johnson die Einwanderungspolitik der seit zwölf Jahren amtierenden Regierung als "ungeschickt" bezeichnet. Jahrelang durften Unternehmen beinahe schrankenlos billige Arbeitskräfte weltweit rekrutieren; nach der Osterweiterung der EU 2004 strömten binnen kurzem 1,5 Millionen Polen, Tschechen und Balten ins Land. Auf die zunehmenden Proteste in der Bevölkerung reagierte Labour zunächst mit der besseren Bewachung der Grenzen und Beschränkungen für ungelernte Arbeitskräfte.

Kurz nach seinem Amtsantritt kündigte Premier Brown im Herbst 2007 bessere Ausbildungsmöglichkeiten für Einheimische an: Er wolle "britische Jobs für britische Arbeiter" schaffen. Der Slogan, der jedem Nationalisten zur Ehre gereichen würde, hängt dem Regierungschef seither wie ein Mühlstein um den Hals. Als wütende Arbeiter im vergangenen Winter gegen vermeintliche Diskriminierung zugunsten von Ausländern auf britischen Baustellen streikten, fehlte der Satz des Premiers auf keiner ihrer Kundgebungen.

Plus neun Millionen in 20 Jahren

Wie alle Restriktionen gelten die jetzt beschlossenen Hürden ausschließlich für Bürger außerhalb der EU. Zwar hat auch die mittlerweile abgeebbte Welle von Osteuropäern in vielen britischen Gemeinden für Unruhe gesorgt. Besorgnis erregt aber vor allem die Einwanderung und die hohe Geburtenrate schlecht ausgebildeter, integrationsunwilliger Gruppen aus den früheren britischen Kolonien wie Pakistan und Bangladesch. Laut dem nationalen Statistikamt wird die britische Bevölkerung in den kommenden zwanzig Jahren um rund neun Millionen auf 70 Millionen ansteigen.

Eine überparteiliche Gruppe einflussreicher Experten im Unterhaus kritisierte den Premierminister für sein begrenztes Vorgehen. "Wir brauchen eine klare Politik mit dem Ziel, die Einwanderung erheblich zu reduzieren" , argumentieren der Labour-Hinterbänkler Frank Field sowie sein konservativer Kollege Nicholas Soames. Umgekehrt befürchten die Arbeitgeberverbände höhere Kosten für die Unternehmen aufgrund der neuen Beschränkungen.  (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15.11.2009)