Einen Monat nach der Ablehnung der Immunitätsregelung durch das Verfassungsgericht entzweit erneut eine "Lex Berlusconi" Italien. Das aus nur drei Artikeln bestehende Gesetz legt für Prozesse eine Höchstdauer von sechs Jahren fest und soll noch vor Weihnachten vom Parlament genehmigt werden.

Seit seinem Einstieg in die Politik vor 14 Jahren handelt es sich um Silvio Berlusconis 18. Versuch, sich durch maßgeschneiderte Gesetze gerichtlicher Verfolgung zu entziehen. Der italienische Richterbund warnte vor "verheerenden Folgen für die Justiz des Landes". Zehntausende Gerichtsverfahren würden ohne Urteil beendet, darunter so wesentliche Prozesse wie jener um den Parmalat-Konkurs. "Sollen wir den Opfern erklären, dass alles ein Scherz war?", fragte der Vorsitzende Luca Palamara.

Nicht an Absprache gehalten

Kammerpräsident Gianfranco Fini kritisierte die Vorlage, weil "der Text sich nicht an die mit Berlusconi getroffenen Vereinbarungen" halte. Die Opposition sprach von einer "dürftig kaschierten Amnestie" . Um den Premier vor seinen Prozessen zu bewahren, würden "wichtige Prinzipien des Rechtsstaats ausgehebelt" , sagte der Vorsitzende des Partito Democratico, Pier Luigi Bersani. Der Christdemokrat Pier Ferdinando Casini sprach von einer "Sauerei". Rechtsexperten bezweifeln, dass die rückwirkende Anwendung des Gesetzes auf bereits begonnene Prozesse mit der Verfassung vereinbar ist. Der dem Rechtsbündnis nahestehende frühere Präsident des Verfassungsgerichts, Antonio Baldassarre, kritisierte das Gesetz als "peinlich und verfassungswidrig".

Terminverschiebung

Regierungschef Berlusconi ersuchte derweil das Gericht in Mailand um Verschiebung des Prozesses, in dem seinem Unternehmen Mediaset Steuerbetrug beim Kauf von TV-Rechten vorgeworfen wird. Internationale Verpflichtungen hinderten ihn daran, am 16. November vor Gericht zu erscheinen, erklärte Berlusconi. Bei einer Annahme des umstrittenen Gesetzes wären die beiden anstehenden Verfahren gegen den Premier hinfällig.

Einem weiteren drohenden Prozess kann sich Berlusconi allerdings nicht entziehen. Nach Ablehnung einer außergerichtlichen Einigung hat seine Frau Veronica Lario eine Scheidungsklage eingereicht, in der sie ihren Mann für das Ende ihrer Ehe nach 30 Jahren verantwortlich macht. Lario fordert eine angemessene Beteiligung ihrer drei Kinder am TV-Imperium ihres Mannes, dessen Börsenwert fast sechs Milliarden Euro beträgt. Die frühere Schauspielerin zog sich in die Schweiz zurück.

Der wegen Beziehungen zur Mafia verdächtigte Staatssekretär Nicola Cosentino bestätigte nach einem Treffen mit Berlusconi seine Kandidatur bei den Regionalwahlen in Kampanien. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2009)