Alles starrt wie gebannt auf die protestierenden Studierenden. Man äußert Verständnis für ihren Protest, bewundert die angeblich neuen Formen basisdemokratischer Selbstorganisation und solidarisiert sich nach Belieben mit den Forderungen nach besseren Studienbedingungen. Das sind wir unserer Jugend schuldig, keine Frage. Der Politik ist ein schwerer Schrecken in die Glieder gefahren, dem studentischen Furor wurde eine Ministerreserve von 34 Mio. Euro zur Besänftigung dargebracht (mit der Maßgabe, dass das Geld "im Hörsaal anzukommen" habe). Man war sich aber rasch einig, dass 34 Mio. Euro viel zu wenig sind. Die in den Ring geworfenen Forderungen und Versprechungen reichen von einer Mrd. Euro zusätzlich bis zu zwei Prozent des BIP als Wachstumsziel, was nicht weit von einer Verdoppelung des jetzigen Budgets entfernt ist.

Gewaltige Forderungen, tolle Versprechungen - freilich es ist zu befürchten, dass die budgetäre Situation (Krise, Banken, Arbeitslosigkeit, Schulden, schwere Zeiten) keine weiter Erhöhung der Universitätsbudgets gestattet; und Hand aufs Herz: kein Mensch erwartet ernstlich, dass die Politik die Kraft aufbringt, die Ausgaben für den tertiären Bildungssektor in den nächsten zehn Jahren tatsächlich auf zwei Prozent des BIP zu steigern. Aber wer weiß, vielleicht wird in der Alpenrepublik das Wirtschaftswunder des 20. Jahrhunderts von einem Wissenschaftswunder des 21. Jahrhunderts beerbt.

Über die Frage, wie viel Geld die Unis nun tatsächlich "bräuchten" könnte man lange streiten. Zunächst müsste man klären, was die Gesellschaft für ihr Geld von den hohen Schulen erwartet. Universitäten sind gesetzlich dazu verpflichtet, (in Selbstverwaltung) Lehre und Forschung zu betreiben. Wie viel der respektabel klingenden 2,756 Milliarden Euro für 2010 für Lehre und wie viel für Forschung ausgegeben werden, ist allerdings umstritten. In der Tat wird oft argumentiert, dass aufgrund der vielbeschworenen Einheit von Lehre und Forschung die Kosten für beide Leistungen so eng verwoben sind, dass jeder Versuch, sie getrennt zu berechnen und auszuweisen, prinzipiell zum Scheitern verurteilt ist; im Übrigen käme dieses Ansinnen einer Verletzung des Humboldt'schen Bildungsideals gleich.

Dennoch gibt es sie, die Experten im Land, die vorgeben, ganz genau zu wissen, wie viel Geld die Universitäten für die Forschung ausgeben, nämlich 1,268 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Der Rest auf die 2,756 ist dann für die Lehre und (bei den Medizin-Unis) für die Krankenversorgung. Interessanterweise schreibt das Wissenschaftsministerium nicht jeder Universität vor, wie viel Geld sie wofür ausgeben soll (was man eigentlich vermuten würde), sondern - siehe Humboldt - das Ministerium stellt ein Globalbudget zur Verfügung. Die Statistik Austria ermittelt dann durch Befragung von Hochschulangehörigen den Anteil der Forschungsausgaben am Universitätsbudget; und dieser liegt gegenwärtig bei 46 Prozent, was 1,268 Milliarden Euro für 2010 ausmacht. Klar, dass da erste Stimmen laut werden, die fordern, man möge doch umschichten - in Zeiten der Not ein bisschen weniger forschen, um mit dem eingesparten Geld die Jugend besser ausbilden zu können.

Das ist erstens nicht praktikabel und zweitens gut begründbar eine hochschulpolitische Schnapsidee: Jeder Mensch weiß: die 46 Prozent sind eine Hausnummer - meilenweit entfernt von der Realität. Die tatsächlichen Forschungsausgaben sind weitaus geringer. Sie sind ein (leicht erklärbares) statistisches Artefakt. Außerdem sind die zu den Protesten Anlass gebenden Studienbedingungen das Problem einiger "Massenfächer" , die (als notwendige Folge der hohen Lehrbelastung) in der Regel nicht sehr forschungsaktiv sind. Umschichten hieße konkret, Ressourcen aus forschungsstarken Fächern abzuziehen und in die Lehre forschungsschwacher Fächer zu stecken. Da man einen Physiker nicht kurzfristig für Publizistikvorlesungen heranziehen kann, dauern solche Umschichtungsprozesse notwendigerweise lange.

Man möchte meinen, dass die Unklarheit, wie viel Geld die Unis für Lehre und wie viel sie für Forschung ausgeben, für die Geldgeber unbefriedigend sei. Tatsächlich scheint diese Intransparenz für alle Beteiligten durchaus komfortabel.

Die Politik verweist darauf, dass sie ohnehin viel Geld ausgebe und dafür erwarten kann, dass jedem, der ein bestimmtes Fach studieren will, die Möglichkeit dazu geboten werden müsse. Und die Universitäten als Empfänger des Geldes sind froh, dass ihnen niemand vorschreibt, wofür sie das Geld aufwenden sollen.

Seitens der Wissenschafts- und Hochschulpolitik kommt noch ein weiteres, etwas skurril anmutendes Argument hinzu: Bekanntlich war in den letzten Jahren die Forschungsquote im Zentrum gesteigerter forschungspolitischer Aufmerksamkeit. Gemäß den Lissabon-Zielen sollte die Forschungsquote bis 2010 auf drei Prozent klettern, im letzten Jahr war sie bei 2,73 Prozent. Der 46-Prozent-Forschungsanteil - unser statistisches Artefakt - zählt natürlich bei der Berechnung der Forschungsquote mit.

In der Tat handelt es sich bei den 1,268 Milliarden Euro um den weitaus größten Teil der öffentlichen Forschungsausgaben Österreichs (sie stehen immerhin für annähernd einen halben Prozentpunkt der Forschungsquote). Wenn sich nun - sauber berechnet - herausstellt, dass die Forschungsausgaben der Universitäten tatsächlich viel kleiner als der 46-Prozent-Anteil sind, so wäre die Erreichung der in Zahlen gegossenen Lissabon-Ziele in weite Ferne entschwunden; politisch unerwünscht, daher ist die "Lebenslüge" der bequemere Weg.

Um die Absurdität dieser Situation greifbarer zu machen: Hahn legt 34 Mio. Euro mit der expliziten Widmung auf den Tisch, dass dieses Geld für universitäre Lehre zu verwenden ist. Und dennoch erhöht dieses Geld die Forschungsausgaben der Republik in der Statistik um satte 15,6 Mio. Euro.

Ich meine, dass ein erster Schritt zur Verbesserung der Finanzierung unserer Universitäten darin bestehen muss, Kostenwahrheit herzustellen. Die Finanzierung universitärer Lehre und Forschung gehorchen völlig unterschiedlichen Logiken. Der einzig rationale Weg für die Lehre geht über eine studienplatzabhängige Finanzierung, die Finanzierung der Forschung hat hingegen nach tatsächlicher Leistung kompetitiv zu erfolgen. Unbestreitbar bleibt: Das System braucht viel mehr Geld. (Christoph Kratky, DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.11.2009)