Es begann im August 2005: Premier Recep Tayyip Erdogan sprach erstmals von einem "Kurdenproblem" und gab zu, dass die Türkei Fehler gemacht hat. Das war revolutionär, weil er erstmals eine politische Antwort auf den Konflikt suchte. Gestern hat Erdogan diese Antwort gegeben. Im Prinzip sind es Selbstverständlichkeiten, die den zehn bis 15 Millionen Kurden in der Türkei zugestanden werden sollen: das Recht auf ihre Sprache und Schutz vor Diskriminierung. Doch in einem Land, in dem jahrzehntelang getrommelt wurde, dass solche Minderheitenrechte einem Vaterlandsverrat gleichkommen, ist das mutig.

Es wird lange dauern und kleiner Schritte bedürfen, bis die Kurden gleichberechtigt in der Türkei leben können. Möglich wurde Erdogans Vorstoß jedenfalls auch durch die verbesserte Zusammenarbeit der Türkei mit der kurdischen Autonomieregierung im Nachbarland Irak. Die PKKkonnte so den Raum nicht mehr als Rückzugsgebiet nutzen.

Dass Erdogan mehr Rechte für Kurden mit der überfälligen Verfassungsreform verknüpfen will, ist ein kluger Schachzug, weil er so die Kurdenfrage in dem übergeordneten Projekt einbetten und damit entdramatisieren kann. Falls es ihm tatsächlich gelingt, gegen den Widerstand der Opposition und trotz der triumphalen Siegesgesten der zurückgekehrten PKKler, die ihm enorm geschadet haben, den Konflikt, in dem tausende Menschen starben, zu beenden, dann wäre das eine historische Leistung, für die Erdogan den Friedensnobelpreis verdienen würde. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2009)