London - Gegen britische Soldaten im Irak sind erneut Foltervorwürfe erhoben worden. Es geht um mehr als 30 Fälle, in denen Iraker während des Einsatzes der Briten misshandelt worden seien, wie die Londoner Zeitung "The Independent" am Samstag berichtete. Sie beruft sich auf ein Schreiben des Anwalts ehemaliger irakischer Gefangener. Demnach sollen zwei Soldaten auch einen 16 Jahre alten Burschen vergewaltigt haben. Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Bill Rammell, erklärte, die Anschuldigungen müssten, "ohne vorschnell zu urteilen", geprüft werden. Die Vorwürfe würden "sehr ernst" genommen.

Zu den neuen Vorwürfen zählen auch Klagen irakischer Zivilisten, sie seien von britischen Soldaten gezwungen worden, sich nackt auszuziehen. Sie seien gefoltert, gedemütigt und dabei fotografiert worden, schreibt der "Independent". Auch seien Elektroschocks eingesetzt worden. Der Anwalt Phil Shiner erklärte, viele Anschuldigungen seien erst nach dem Abzug der Briten aus dem Irak in diesen Sommer bekanntgeworden.

Gerichtliche Untersuchung

In London läuft bereits eine öffentliche Gerichtsuntersuchung. Dabei werden die Verhörpraktiken der Briten sowie der Tod des Irakers Baha Mousa untersucht, der 2003 in britischer Gefangenschaft nach Schlägen starb. Staatssekretär Rammell sagte: "Es gab Beispiele, dass sich einzelne schlecht verhalten haben. Aber es ist nur ein winziger Anteil." Mehr als 120.000 Soldaten hätten im Irak gedient und sich korrekt verhalten. Die Briten waren 2003 an der Seite der USA in den Irak einmarschiert. Das britische Militär hatte sich im Sommer komplett aus dem Irak zurückgezogen. Weltweit hatte der Folterskandal im US-Militärgefängnis Abu Ghraib für Entsetzen gesorgt.

Abu Ghraib ist zum Symbol amerikanischer Menschenrechtsverstöße geworden, nachdem 2004 Fotos in der Öffentlichkeit auftauchten, die zeigten, wie irakische Häftlinge von US-Soldaten sexuell gedemütigt und misshandelt wurden. Auf den Bildern, die über den amerikanischen Fernsehsender CBS an die Öffentlichkeit gelangten, waren nackte Gefangene zu sehen, die zu einer Pyramide aufgetürmt oder wie Hunde an der Leine geführt wurden. Kurz nach Bekanntwerden des Folterskandals suspendierte das Pentagon 17 Soldaten, sieben weitere wurden angeklagt. Traurige Berühmtheit erlangten vor allem der Stabsgefreite Charles Graner und die Soldatin Lynndie England - beide argumentierten, Vorgesetzte hätten die Misshandlungen initiiert oder geduldet. England wurde im September 2005 zu drei Jahren Haft verurteilt. (APA)