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Gabriel und Nahles.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Dresden - Sieben Wochen nach dem Wahldebakel hat die SPD erste Kurskorrekturen beschlossen und will mit einer neuen Führungsspitze die schwarz-gelbe Regierung hart angreifen. Auf dem Parteitag in Dresden verteidigte der neue SPD-Chef Sigmar Gabriel am Sonntag die überraschend beschlossene Forderung, die Vermögensteuer wieder einzuführen. Dies sei nötig, um soziale Gerechtigkeit zu sichern und bedeute keinen Linksruck. Am von der Großen Koalition beschlossenen Pensionsalter 67 Jahre gab es unter den 500 Delegierten viel Kritik, doch verlangte die Basis keine Abkehr von dem ungeliebten Beschluss.

Gabriel, der mit dem Traumergebnis von 94,2 Prozent zum Nachfolger von Franz Müntefering gewählt wurde, zog am Sonntag eine positive Bilanz des dreitägigen Konvents. "Ich bin sehr zufrieden. Und das ist noch untertrieben", sagte der frühere Umweltminister. Die befürchtete Abrechnung nach der Wahlschlappe sei ausgeblieben, stattdessen habe es eine nach vorne gerichtete Diskussion gegeben. Ziel sei eine rasche Rückkehr in die Regierung, betonte Gabriel: "Wir wollen nicht lange Opposition sein."

"Sozial ist, was Arbeit schafft"

Im ORF-Mittagsjournal sagte der neue SPD-Chef am Samstag, künftige Hauptaufgabe der Partei sei das Zusammenbringen von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sozialer Sicherheit und ökologischer Verantwortung. "Innovation und Gerechtigkeit" sowie "Sozial ist, was Arbeit schafft, von der man leben kann" seien die Leitsprüche.

Am Samstagabend hatte sich die rund 500 Delegierten überraschend für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ausgesprochen, denn in das SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl war sie auf Wunsch von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier nicht aufgenommen worden. Gabriel sagte, die neue Forderung sei "aus Gerechtigkeitsgründen nötig".

Der Ex-Umweltminister kündigte an, 2010 werde die SPD ein umfassendes Steuerkonzept vorlegen. Der Leitantrag, den der Parteitag mit großer Mehrheit billigte, sieht auch die Einführung einer Börsenumsatzsteuer und eines höheren Spitzensteuersatzes zugunsten von Bildungsausgaben vor.

"Rente mit 67": Keine Änderungen

Änderungen bei der vor dem Parteitag wochenlang kontrovers diskutierten "Rente mit 67" fordert die SPD nicht. Gabriel will aber klären, wie ältere Menschen, die nicht mehr arbeiten könnten, ohne dramatische Einkommensverluste in Pension gehen können. Zu den Sozialreformen unter Ex-Kanzler Gerhard Schröder (1998-2005) heißt es kritisch, dass diese "in weiten Teilen der Arbeitnehmerschaft Furcht vor sozialem Abstieg durch Arbeitslosigkeit ausgelöst" hätten. Gabriels Vorgänger Franz Müntefering, einer der engsten Mitstreiter Schröders, wurde aber mit minutenlangen, stehenden Ovationen versöhnlich verabschiedet.

Fraktionschef Steinmeier griff die Regierung von Angela Merkel und Guido Westerwelle frontal an. Schwarz-Gelb betreibe eine Politik der sozialen Spaltung, sagte er am Samstag vor den rund 500 Delegierten. Die SPD werde "eine Gegenmacht sein, Druck organisieren, mit einer harten Opposition im Parlament und in der ganzen Gesellschaft".

Rede Eppler

Begeisterten Applaus erntete der SPD-Vordenker Erhard Eppler (82) am Sonntag mit seiner Rede zum 50. Jahrestag des Godesberger Programms, in dem sich die SPD vom Marxismus verabschiedet hatte. Eppler geißelte in scharfer Rede den Marktradikalismus, den die neue Bundesregierung vertrete und rief die Sozialdemokraten dazu auf, Alternativen zu entwickeln. "Noch nie hat dieses Land die Sozialdemokraten dringender gebraucht als heute", sagte Eppler mit Blick auf die von der neuen Regierung geplanten Reformen im Steuer- und Gesundheitssystem. Einer der Gründe für die SPD-Wahlniederlage sei gewesen, "dass die Menschen kaum glauben, dass es jemanden gibt, der dieses Land gerechter machen kann".

Der SPD-Parteitag wählte auch einen neuen Bundesvorstand. Als einziges bisheriges Vorstandsmitglied scheiterte die frühere DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer bei der Wiederwahl in die Parteiführung. Bereits Freitagabend war der frühere Umweltminister Gabriel mit dem sehr guten Ergebnis von 94,2 Prozent zum Vorsitzenden gewählt worden. Dagegen erhielt die Parteilinke Andrea Nahles bei der Wahl zur Generalsekretärin nur magere 69,6 Prozent.

Union und FDP kritisierten die Kurskorrekturen der SPD scharf. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte der "Bild am Sonntag", die SPD flüchte immer weiter in die linke Ecke. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte: "Die SPD wäre gut beraten, wenn sie sich zu den Schröderschen Reformen bekennen würde, anstatt den Linken nachzulaufen." Der Vizechef der Linken, Klaus Ernst, nannte die SPD-Beschlüsse "unglaubwürdig" und wies darauf hin, dass die Sozialdemokraten in ihren elf Jahren Regierungszeit "keinen Finger gerührt" hätten, um die nun geforderte Vermögenssteuer einzuführen. (APA/AP)