Singapur/Teheran/Berlin - Im Atomstreit mit dem Iran haben US-Präsident Barack Obama und sein russischer Amtskollege Dmitri Medwedew den Druck auf die Führung in Teheran erhöht. Die Zeit für die Annahme des internationalen Kompromissvorschlags laufe allmählich ab, sagte Obama nach einem Treffen mit Medwedew am Sonntag am Rande des Gipfeltreffens des Asien-Pazifik-Forums (APEC) in Singapur. Der Iran habe bisher leider nicht dem Vorschlag zugestimmt, der allgemein als kreativer und konstruktiver Vorstoß angesehen werde.

Auch Medwedew äußerte sich unzufrieden über das Tempo der Verhandlungen. Wenn es keine Ergebnisse gebe, müssten andere Mittel erwogen werden. "Unser Ziel ist klar: ein transparentes Atomprogramm statt eines Programms, das die Sorgen anderer erregt", sagte der russische Präsident.

Gemäß einem Vorschlag der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO bzw. IAEA) vom Oktober soll der Iran einen Großteil seines leicht angereicherten Urans in Russland und Frankreich zu Brennstäben für einen iranischen Forschungsreaktor weiterverarbeiten lassen. Bisher hat die iranische Regierung keine endgültige Antwort auf den Vorschlag von IAEO-Generaldirektor Mohamed ElBaradei gegeben. Die Initiative zielt unter anderem darauf ab, die Vorräte des Irans an spaltbarem Material unter die zum Bau von Atomwaffen nötige Menge zu senken.

Der iranische Parlamentsvorsitzende Ali Larijani übte unterdessen scharfe Kritik an Obama. "Nach einem Jahr des Redenschwingens und Slogan-Dreschens ist es eine Schande zu sehen, dass das Verhalten und die Ansichten dieses Präsidenten nicht besser sind als die seines Vorgängers", sagte Larijani im Parlament. Allein die Tatsache, dass Obama die US-Sanktionen gegen die Islamische Republik jüngst um ein Jahr verlängert habe, zeige, dass die Vereinigten Staaten nicht wirklich einen Wandel vollzogen hätten, seit George W. Bush das Weiße Haus verlassen habe.

Zugleich warf Larijani der Regierung in Washington vor, dem Iran im Atomstreit "unvernünftige Vorschläge" zu unterbreiten. Auf das Kompromissangebot der IAEO ging er nicht konkret ein.

Der französische Außenminister Bernard Kouchner bewertet die Erfolgsaussichten für den Kompromissvorschlag mittlerweile skeptisch. Eine offizielle Entscheidung der iranischen Regierung stehe zwar noch aus, sagte Kouchner gegenüber der israelischen Zeitung "Yedioth Ahronoth". Faktisch scheine der Iran ihn aber schon abgelehnt zu haben.

US-Außenministerin Hillary Clinton mahnte die Führung in Teheran ebenfalls zur Annahme des internationalen Kompromissvorschlags. "Wir wissen, im iranischen Machtgefüge geht es derzeit drunter und drüber", sagte Clinton in einem Interview mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Deshalb seien die USA zwar bereit, den Iranern mehr Zeit einzuräumen, aber: "Unsere Geduld ist nicht unerschöpflich." Ungeachtet der Verhandlungen schlössen die USA einen militärischen Angriff auf die iranischen Atomanlagen weiterhin nicht aus. "Strategisch gesehen ist es nicht sehr klug, auf Handlungsmöglichkeiten zu verzichten, wenn die andere Seite sich überhaupt nicht bewegt."

Iranische Oppositionelle erklärten unterdessen, die geistliche Führung des Landes sei brutaler als das von der Revolution gestürzte Schah-Regime. Bei Protesten gegen die Regierung in der vergangenen Woche hätten die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt angewendet, beklagten die Oppositionsführer und unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir-Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi am Samstag. Sogar Frauen seien mit Schlagstöcken auf den Kopf geschlagen worden. Im Internet betonten die beiden Politiker, ein derartiges Vorgehen sei hässlich. Selbst bei der Reaktion des Schahs auf die Islamische Revolution im Jahr 1979 sei es nicht zu solchen Ausfällen gekommen.

Iranische Zeitungen zitierten Polizeioberst Mehrdad Omidi am Wochenende mit den Angaben, angesichts der Verbreitung des Webs und der steigenden Internetnutzung bilde die Polizei eine Sonderkommission, die Straftaten wie "Betrug, Beleidigungen und die Verbreitung von Lügen" verfolgen solle. Die Formulierung "Beleidigungen und Verbreitung von Lügen" ist ein Standardvorwurf der iranischen Justiz gegen die Opposition. Da diese in den staatlich kontrollierten Medien kaum erwähnt wird, hat sie sich auf das Internet verlegt. Omidi sagte ausdrücklich, die zwölf Kommissionsmitglieder würden bei "politischen Angelegenheiten im Internet intervenieren, sollte ein Straftatbestand vorliegen". Die Kommission werde der Staatsanwaltschaft unterstellt.

Die iranischen Behörden haben seit den Protesten nach der umstrittenen Präsidentenwahl im Juni die meisten Webseiten der Opposition verboten. Oppositionelle stellten zumeist noch am Tag des Verbots neue Webseiten ins Netz. Das iranische Fernsehen und der Rundfunk werden direkt vom geistlichen Führer, Ayatollah Ali Khamenei, kontrolliert. Zeitungen werden von Zeit zu Zeit ermahnt, keine die Opposition unterstützenden Artikel zu veröffentlichen. (APA)