Krems - Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Gewaltschutzzentren in Niederösterreich hat sich am Montag in Krems ein Symposium dem Thema gewidmet. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek unterstrich dazu in einer Pressekonferenz die Notwendigkeit flächendeckender niederschwelliger Angebote für Frauen, die die Hauptbetroffenen seien.

"Dunkelziffer lösen sich auf"

Seit in Kraft Treten des Gewaltschutzgesetzes vor zwölf Jahren müsse nicht mehr das Opfer, sondern der Täter die Wohnung verlassen, so Heinisch-Hosek. Weil parallel zum Gesetz entsprechende Interventionsstellen geschaffen wurden, sei die Zahl der Opfer, die sich an diese Einrichtungen wandten, "dramatisch" gestiegen: 2001 wurden 4.800 Gewaltopfer betreut, 2008 waren es 14.800. Die Zahlen "explodieren, weil sich die Dunkelziffern langsam auflösen", meinte dazu Udo Jesionek, Präsident der 1978 gegründeten Verbrechenshilfeorganisation "Weißer Ring".

Allein in Niederösterreich waren (laut Tätigkeitsbericht des NÖ Gewaltschutzzentrums) im Vorjahr 1.360 Personen - vorwiegend Frauen und Kinder - von Gewalt im sozialen Nahraum betroffen, laut der Ministerin um 20 Prozent mehr als 2007. Heuer wurden zwei neue Betreuungsstellen - in Waidhofen an der Thaya und Bruck an der Leitha - eröffnet.

50 Prozent der Mordfälle im Familienkreis

Der Inzestfall in Amstetten sei leider kein einmaliges Ereignis, zu Gewalt komme es täglich, 50 Prozent aller Morde würden im Familienkreis begangen. Gewalt in der Familie dürfe weder bagatellisiert noch dämonisiert - und damit gedanklich in die Ferne gerückt - werden, meinte Charlotte Aykler, Geschäftsführerin des NÖ Gewaltschutzzentrums mit sieben Niederlassungen. Das zwölfköpfige Team setzt sich aus Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen und Juristinnen zusammen.

Haftentlassungen den Opfern kommunizieren

Angesprochen wurde in der Pressekonferenz auch die Bedeutung vernetzter Arbeit sowie Kooperation mit Polizei und Gericht. Jesionek ist ein Anliegen, dass Opfer - auf Antrag - über Haftentlassungen der Täter in Kenntnis gesetzt werden, Heinisch-Hosek will sich die Möglichkeiten elektronischer Armbänder zum Fernhalten der Täter vom Opfer "genau anschauen".

Schulungen im Gesundheitswesen

Aus Sicht von Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich, die bisher mit über 1.100 sanitätspolizeilichen und gerichtlichen Obduktion befasst war, geht es neben Verbesserungen bei der Beweissicherung auch darum, an den Opfern "Gewalt zu erkennen". Sie sprach sich für entsprechende Schulung aller im Gesundheitswesen Tätigen aus: Sie hat einen Leitfaden für Krankenhaus und medizinische Praxis hinsichtlich gesundheitlicher Versorgung gewaltbetroffener Frauen erstellt. (APA)