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Hypnose ist kein Hokuspokus, sondern kann Schmerzen lindern, Blutungen schneller stoppen und bei der Rauchentwöhnung helfen. Wichtig ist die Eigenmotivation des Patienten.

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Zur Person

Nidal Moughrabi ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin an der Im Goldenen Kreuz Privatklinik in Wien und an der Privatklinik Graz Ragnitz und hat unter anderem eine Ausbildung in medizinischer Hypnose und in der Speziellen Schmerztherapie.

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derStandard.at: Was ist Hypnose?

Moughrabi: Die Kurzdefinition von Hypnose und Trance ist fokussierte Aufmerksamkeit - das Bewusstsein wird in eine Richtung gelenkt und nimmt nicht mehrere Dinge gleichzeitig wahr, wie es das normalerweise tut. Die Trance wird neben dem Wach- und Schlafzustand als eine Art dritter Bewusstseinzustand betrachtet.

derStandard.at: Was passiert dabei im Gehirn?

Moughrabi: Mittels Hirnstrommessung lässt sich eine Änderung der Gehirnströme und der Gehirnfunktion nachweisen. Es gibt interessante Studien, wonach der Zustand dem der Meditation ähnlich ist.

derStandard.at: Ist die Hypnose als medizinische Therapie in Österreich anerkannt?

Moughrabi: Ja definitiv. Es gibt zwar gewisse Vorbehalte von Seiten der Bevölkerung und mancher Schulmediziner, die aber auf Unkenntnis beruhen. Wissenschaftliche Studien, die nach strengen schulmedizinischen Kriterien durchgeführt wurden, weisen den Erfolg der medizinischen Hypnose auch in Zahlen nach.

derStandard.at: Was unterscheidet die medizinische Hypnose von den Dingen, die bei Hypnoseshows passieren?

Moughrabi: Der Unterschied ist enorm. Auf der Bühne geht es um Effekthascherei, die Menschen werden öffentlich zum Narren gemacht. In der therapeutischen Hypnose geht es nicht um einen möglichst tollen Effekt. Im Gegenteil: es ist wie ein geschütztes Gespräch mit einem Psychotherapeuten. Der Therapeut erarbeitet gemeinsam mit dem Patienten ein ganz bestimmtes Ziel.

Wenn man mit dem Unbewussten arbeitet, können natürlich Dinge hochkommen. Ein ausgebildeter Therapeut kann aber damit umgehen und den Patienten weiterhin in einem geschützten Rahmen halten, damit er weiter aufmachen kann. Auf der Bühne kommt das einer Katastrophe gleich.

derStandard.at: Sind Ängste nicht mehr "aufzuwachen" oder danach nicht mehr "derselbe" zu sein völlig unbegründet?

Moughrabi: Solche Ängste sind vollkommen unbegründet. Die überspitzte Angst, dass der Therapeut ganz plötzlich stirbt während man in Trance ist, ist ebenso unbegründet, weil der Patient selbst aus der Trance heraus kommen kann. Im therapeutischen Setting arbeitet der Patient außerdem selbst mit sich, der Therapeut unterstützt ihn nur.

derStandard.at: Hypnose wird in der Schmerztherapie angewandt. Schmerz wird aber meist als etwas konkret Körperliches wahrgenommen. Die Hypnose wirkt aber mental. Wie passt das zusammen?

Moughrabi: Schmerzen sind nicht rein körperlich. Gerade bei chronischen Schmerzpatienten, die über Jahre hinweg ein Schmerzproblem haben, eine schwere Migräne oder Fibromyalgie, sieht die Schulmedizin diese Schmerzen auch als psychisch an. Körper und Psyche wirken gegenseitig aufeinander ein. In der Psychosomatik gibt es Fälle, wo sich bestimmte psychische Probleme in den Körper projizieren können.

derStandard.at: Wie lässt sich die Wirkung der Hypnose erklären?

Moughrabi: In der Schmerztherapie wirkt die Hypnose auf mehreren Ebenen. Die einfachste Ebene ist eine reflektorische: Haben Menschen Schmerzen, krampfen sie sich zusammen. Dadurch werden die Schmerzen schlimmer. Das erste, das in der Trance geschieht, ist, dass Menschen, die bis dato nicht in der Lage waren sich zu entspannen, überhaupt in einen Entspannungszustand kommen. Schon dadurch kommt es zur Schmerzlinderung.

Auf einer anderen Ebene gibt es die Möglichkeit im Unterbewussten das eigene Bild von diesem Schmerz zu verändern. Jeder Mensch beschreibt seinen Schmerz ja anders: Brennen, Stechen oder Ziehen. Die Frage ist, was man im Unbewussten gegen ein Brennen machen kann. Man kann andere Bilder darüber legen, beispielsweise, dass kühles Wasser über das brennende Bein fließt. Es ist schwierig sich das im Wachzustand vorzustellen, aber in der Trance funktioniert eine andere Logik. Und das wirkt sich dann sehr wohl auf das körperliche Erleben aus.

derStandard.at: Wie ist dann Schmerzfreiheit durch Hypnose beim Zahnarzt erklärbar? Hier handelt es sich doch um einen akuten Schmerz.

Moughrabi: Hier wird mit anderen Techniken gearbeitet. Ein simples Beispiel: der Patient wird auf eine Trancereise geschickt und ist dann ganz wo anders. Er nimmt entweder gar nicht wahr, was um ihn herum passiert oder er koppelt das Erleben vom eigenen Körper ab. Er nimmt den Schmerz nicht wahr, identifiziert ihn nicht mit sich selber.

Zahnärzte berichten, wenn sie einen Zahn ohne Betäubung ziehen, sondern unter Hypnose, dass die Wunde weniger anschwillt, weniger blutet und schneller verheilt.

derStandard.at: Warum stoppen Blutungen schneller?

Moughrabi: Im Körper gibt es verschiedene Botenstoffe, die aufgrund von Schmerzempfindungen ausgeschüttet werden. Man vermutet, dass diese nicht nur auf einen körperlichen Reiz hin ausgeschüttet werden, sondern dass das auch über das Unbewusste geschehen kann.

derStandard.at: Wie hilft die Hypnose bei der Rauchentwöhnung oder beim Vorhaben abzunehmen?

Moughrabi: Ohne die Motivation des Patienten geht nichts. Die Hypnose kann nicht eine nicht-vorhandene Motivation einimpfen. Sehr wohl ist es möglich die individuelle Motivation des Patienten auf der unbewussten Ebene zu verstärken. Jeder Mensch hat einen anderen Grund warum er raucht und damit aufzuhören. Das gilt es herauszufinden und im Innersten zu verankern. Ähnliches geschieht bei der Gewichtsabnahme. Niemand verliert fünf Kilo, allein aufgrund dessen, dass ich ihn hypnotisiere. Aber er kann sie hinterher umso leichter verlieren.

Bei der Rauchentwöhnung arbeite ich mit mehreren Methoden parallel: zum einen mit Verhaltenstherapie, zum anderen - wenn notwendig - mit Nikotinersatz und zusätzlich eben mit Hypnose. Durch die Kombination der Methoden, steigt nachgewiesenermaßen die Erfolgsquote. Laut Studien steigt sie allein durch zusätzliche Hypnose um 30 bis 40 Prozent.

derStandard.at: Abseits dieser bekannten Einsatzgebiete der Hypnose wird auch die Anwendung bei Operationen statt der Vollnarkose erforscht.

Moughrabi: Das wird nicht nur erforscht, sondern teilweise auch schon bei Operationen eingesetzt. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass man dafür ein Setting braucht, das man in einem normalen Krankenhaus nicht hat: der Arzt braucht Zeit für seinen Patienten, er muss die Hypnose einleiten, in der Zeit muss Ruhe herrschen. Wird die Trance während der OP irgendwann oberflächlich, muss man dem Patienten wieder Zeit geben sich darin zu vertiefen.

Aber es funktioniert: In einer belgischen Klinik (Lüttich, Frau Prof. Faymonville, Anm.) stellt die Anästhesieabteilung dem Patienten frei, ob er unter Hypnose plus Beruhigungs- oder Schlafmittel oder unter traditioneller Narkose operiert werden will. Dort gibt es sensationelle Ergebnisse. Alle Patienten, die unter Hypnose operiert wurden, waren mindestens zehn Tage früher wieder erwerbstätig. Die Heilung geschieht einfach besser, das hat die Klinik statistisch nachgewiesen. (Marietta Türk derStandard.at, 18.11.2009)