Im Film die Zweitbesetzung: Markus Hering soll für Otto Kullberg, gespielt von Henry Hübchen, zum Einsatz kommen, wenn dieser wieder einmal zu viel "Whisky mit Wodka" genossen hat.

 

Hochprozentige Komödie im Filmmilieu
Wien - Wenn einer im mitgebrachten Thermoskännchen Hochprozentiges verbirgt, dann kann es passieren, dass er während der Arbeit aus der Rolle fällt. So geschieht es einer Filmschauspiellegende (Henry Hübchen) beim Drehen einer Schlüsselszene. Der Star geht kurzzeitig zu Boden. Der Produzent fürchtet um seine Investitionen. Umgehend wird ein Bühnendarsteller (Markus Hering) als Zweitbesetzung engagiert. So könnte man das Dreiecksdrama mit Zwanziger-Jahre-Seebad-Kolorit notfalls ohne den Star fertigstellen.

 

Hochprozentig ist auch der Titel des Films, in dem sich dies ereignet: Whisky mit Wodka heißt er. Regisseur Andreas Dresen und Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase haben einen soliden Ensemblefilm eingerichtet. Hübchen agiert als Platzhirsch gekonnt großspurig. Hering meistert die schwierige Aufgabe, den Team-Nachzügler, der seine Chance nutzen und trotzdem keinem Böses will, charakterlich ambivalent zu halten. Weiters spielen Corinna Harfouch, Sylvester Groth oder Tilo Prückner.

 

Konkurrenz und Wehmut


Hinter den Kulissen findet sich reichlich Stoff für tragikomische Episoden. Das Zwischenmenschliche steht naturgemäß im Mittelpunkt - gemeinsame Vergangenheit, gegenwärtige Konkurrenzverhältnisse, Zukunftsängste. Aber auch ein bisschen Wehmut um verschwundenes altes Defa-Handwerk schwingt mit. Dresen und Kohlhaase zerlegen nämlich ein ihnen bestens vertrautes Milieu. Das ist grundsätzlich unterhaltsam, klug ausgedacht und formuliert, nur ganz so mitreißend wie Dresens bisherige Filme ist es nicht. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 17.11.2009)

 

Ab 20. 11. im Kino

Foto: Senator Film

Mit Andrea Schurian sprach er über seine Leidenschaften: Theater, Film und Tischlerei.

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Wien – Sollte wider Erwarten der neue Burgchef mit Rollenangeboten knausern oder es bei Filmengagements zu längeren Wartezeiten kommen: Markus Hering hat vorgesorgt. Seit kurzem ist der zweifache Nestroypreisträger Untermieter in einer Wiener Tischlerei.

Nach dem Abitur wollte der Sohn eines Architekten nämlich vor allem eines: nicht studieren. Also machte er die Tischlerlehre, verletzte sich bei einem Arbeitsunfall, galt mit 22 in seinem Beruf als nicht mehr vermittelbar, zog als Waldarbeiter nach Oberfranken – und dockte in Hof bei einer Amateurtheatertruppe an.

Einmal, erinnert er sich, habe er das Arbeitsamt in Hof mit seiner Anfrage bezüglich einer Umschulung von Tischler auf Schauspieler in gröbere Ratlosigkeit gestürzt. Nach zwei Amateurtheaterjahren besuchte er die Schauspielschule in Hannover, spielte in Kassel, anschließend in Frankfurt, wo gerade Hans Gratzer Nathan der Weise inszenierte und den jungen Hering 1991 ans Wiener Schauspielhaus holte. Nach einem Jahr wechselte er ans Volkstheater und schließlich zuerst als Gast, dann als Ensemblemitglied an die Burg.

Standard: Der Film "Whisky mit Wodka" in der Regie von Andreas Dresen kommt diese Woche ins Kino, "Das Leben ist zu lang" , einen Autorenfilm von Dany Levy, haben Sie gerade abgedreht: Wollen Sie überhaupt noch Theater spielen?

Hering: Ich möchte weiterhin den Spagat zwischen beidem machen. Filmen ist derzeit aufregender, etwas Besonderes. Theater ist Alltag, Filmen ist Sonntagsbeschäftigung

Standard: Was ist der Unterschied zwischen Film und Theater beim Schauspielen?

Hering: Die Konzentration verschiebt sich beim Film; man muss vieles eigenverantwortlich erarbeiten; die ganze Probenarbeit mit den Kollegen, die man am Theater neun Wochen lang hat, die muss man für sich selbst erledigen. Am Ende des Drehtags denkt man sich oft, dass man es jetzt genau wüsste, wie's geht. Im Theater hat man das Glück, es wieder spielen zu können. Allerdings: Die Leute, die heute drinsitzen, sehen es nur einmal. Und das ist ähnlich wie im Film: Was im Kasten ist, wird nie mehr verbessert.

Standard: Wie bereiten Sie sich auf Ihre Rollen vor?

Hering: Unterschiedlich. Bei Filmrollen schaut man sich wirklich in ein Berufsbild ein. Bei Jonke hingegen kann man sich schwerer vorbereiten. Gut, bei Chorphantasie musste ich dirigieren lernen. Aber im Freien Fall konnte ich nur Text lernen – weil die Figur eine Rampensau ist, die Geschichten erzählt. Die musste ich verinnerlichen, um mit ihnen je nach der Stimmung im Saal jonglieren zu können.

Standard: Was ist ausschlaggebend dafür, dass Sie eine Rolle annehmen?

Hering: Die Herausforderung muss stimmen. Wenn ich das Gefühl habe, da ist ein immenser Berg, aber da komme ich hoch, dann ist das eine Rolle, die ich spielen will – noch dazu, wenn Andreas Dresen oder Dany Levy die Bergführer sind. Bei Whisky mit Wodka war schon das Casting mit Henry Hübchen großartig, wir haben uns richtig aufs Drehen in dieser Konstellation gefreut. Andreas Dresen hat eine ganz besondere, sehr genaue und liebevolle Art, Schauspieler zu beobachten. Er liebt die Figuren – und die Leute, die er besetzt. Das ist ein großes Vertrauen, mit dem man arbeiten kann. Und bei Dany Levy war das Vertrauen eigentlich noch größer: Wir haben Kaffee getrunken, und er hat mir die Rolle gegeben, ohne Casting.Und ohne mich gesehen zu haben.

Standard: Beides sind Komödien. Sind Sie gern lustig?

Hering: Ja, ich bin gern komisch. Doch das kann man nur, wenn man einen ernsten Kern, eine Schmerzstelle berührt. Die Figuren in beiden Filmen sind oft sehr einsam.

Standard: Hat sich die Intensität des Spielens durch Ihre drei Töchter verändert?

Hering: Sehr! Es haben sich Dinge zurechtgerückt. Seither macht es mir mehr Spaß, und ich glaube, dass ich besser geworden bin. Natürlich ist Spielen existenziell für mich, aber das Leben mit Kindern ist so viel wahrer und wichtiger. Es gibt keinen Beruf, den man gegen die Familie in den Vordergrund stellen könnte.

Standard: Können Sie abschalten, wenn Sie nach Hause kommen? Was nehmen Sie von der Arbeit mit?

Hering: Nur die Textbücher, nicht die Rolle.

Standard: Und Stimmungen?

Hering: Nein. Ich habe meistens gute Stimmung nach der Vorstellung, aber ich bin nicht in der Rolle drin. Auch nicht während der Vorstellung. Das Nichtversinken in der Rolle, das Reflektieren, den dauernden Dialog mit Publikum und Kollegen finde ich extrem wichtig. Wenn eine Pointe nicht klappt, dann muss man auf der Bühne ja auch reagieren.

Standard: Wollen Sie für immer in Wien bleiben?

Hering: Ich würde gern wieder mehr in Deutschland Theater spielen; nicht, weil ich Wien nicht mag, sondern weil Wien zu gern Theater mag.

(DER STANDARD/Printausgabe, 17.11.2009)