Im Zentrum einer Wunderwelt namens Theater: Yohanna Schwertfeger als Dorothy im technisch hoch-gerüsteten Reich des trickreichen Zauberers von Oz (Udo Samel).

Foto: R. Werner

Wien - Man kann fast von Glück reden: Klaus Missbach und Peter Raffalt haben die Geschichte des Zauberers von Oz für das Burgtheater zwar nur "nach L. Frank Baum" dramatisiert, halten sich aber doch über weite Strecken an die literarische Vorlage aus dem Jahr 1900. So erhält Dorothy, die junge Heldin, silberne Zauberschuhe - und nicht rote (wie in der Verfilmung mit Judy Garland aus 1939). Der dramaturgisch nicht ganz unwichtige Hund Toto aber wurde gestrichen.

Technische Überforderung kann kaum der Grund gewesen sein. Ist man doch in der Lage, einen R2D2-artigen Computer über die Bühne zu schicken. Überhaupt: Das Burgtheater präsentiert sich als Zauberkasten, der Staunen macht. Die Windmaschinen entfachen einen rechten Orkan (um Dorothy ins Wunderland zu tragen), eine Hexe fliegt auf dem Motorrad über die Bühne, und später schießen Feuerfontänen per Fernbedienung hoch.

Aus allen Ecken ertönt die Stimme von Udo Samel, des Zauberers. Erst später tritt er tatsächlich vor Dorothy und ihre drei Freunde: Er offenbart, ein untersetzter Scharlatan zu sein, der nur deshalb als mächtig angesehen wird, weil er sich auf effektvolle Tricks versteht. Das Bekenntnis dieses vereinsamten Nowhere Man, der dem Inspizienten zu gehorchen hat, geht zu Herzen: Samel, der Magier, liefert den Beweis, dass der Titel Der Zauberer von Oz zu Recht besteht.

Auch wenn natürlich Dorothy die Hauptrolle spielt. Bühnenbildner Bernhard Kleber hat die Läuterungsgeschichte zwar in die 1950er-Jahre verlegt, Yohanna Schwertfeger aber ist eine ungemein quirlige Pippi Langstrumpf der Jetztzeit: eine Pubertierende, die von zu Hause abhaut, weil sie etwas erleben will. Zusammen mit der schlaksigen Vogelscheuche (André Meyer), dem steifen Blechmann (Marcus Bluhm) und dem Show-Löwen (Juergen Maurer) bildet sie ein ungemein spielfreudiges Quartett. Einzig das andauernde "Ich will nach Hause" -Gejammer nimmt man ihr nicht ab.

Das generelle Problem ist, dass sich Regisseurin Annette Raffalt nicht für ein definiertes Zielpublikum entscheiden konnte: Therese Affolter macht als an sich superböse Hexe auf liebes "Seid ihr alle da?" -Kasperltheater, das zumindest die Kleinsten zum Johlen bringt. Mit Udo Samels Monolog hingegen und seinen Anspielungen können nur Erwachsene etwas anfangen.

Und auch die Jugendlichen haben - abgesehen von der Dauer (zweieinhalb Stunden) - Vorbehalte: Die Musik von Parviz Mir-Ali ist alles andere als fetzig. Mit dem Struwwelpeter kann sie nicht mithalten. Warum zwar Over The Rainbow gesunden wird, aber nicht der von Klaus Nomi gecoverte Song Ding Dong The Witch Is Dead: Das versteht wohl niemand. (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 17.11.2009)