Das Entführungsopfer Natascha Kampusch hat am Montagabend in der ORF-Sendung "Thema" ausführlich zu den neuerlichen Ermittlungen in ihrem Fall Stellung genommen. Dabei betonte sie sehr deutlich, nicht von Unbekannten unter Druck gesetzt zu werden: "Ich werde nicht erpresst", sagte Kampusch. Die Existenz von pornografischen Videos aus ihrer Gefangenschaft bestreitet sie: "Die gibts nicht." Sie habe immer nur ihren Entführer Wolfgang Priklopil gesehen, betonte die junge Frau erneut: "Da war immer nur ein Täter."

Die Einvernahmen erlebte Kampusch als "sehr strapaziös", wie sie sagte. "Es war sehr anstrengend, weil das zweimal acht Stunden waren, einmal in Graz, einmal in Wien. Ich bin froh, dass so einige Missverständnisse ausgeräumt werden konnten." Die Ermittlungen befürworte sie jedoch, "da ich auch an Aufklärung interessiert bin". Allerdings bezweifelt das Entführungsopfer, dass es in dem Fall jemals Klarheit geben werde: "Ich weiß nicht, ob es da Mittäter gab oder nicht. Meine Meinung: Das wird nie so richtig aufgeklärt werden können. Ich habe nur den Priklopil gesehen."

"Missverständnisse", keine Widersprüche

Dass es in ihren eigenen Aussagen Widersprüche gegeben habe, sieht Kampusch anders: Es handle sich eher um "Missverständnisse, da jeder die Dinge etwas anders sieht und anders interpretiert. Ich denke es konnte alles ausgeräumt werden."

Ob Priklopils Freund Ernst H. als Zweittäter infrage kommt, könne sie "so nicht beantworten", sagte Kampusch. "Ich habe ihn nie als Täter wahrgenommen." Außerdem habe sie ihn erst gegen Ende ihrer Gefangenschaft im Jahr 2006 kennengelernt, "als der Täter mich in in ein - für ihn - normales Leben integrieren wollte. Das hat zu einem kurzen Handgruß gereicht."

Ernst H. als Nachbarin vorgestellt

Priklopil habe sie bei der Gelegenheit als Nachbarin vorgestellt. Später habe sie den Kontakt zu H. gesucht, weil sie für sich herausfinden habe wollen, wer das überhaupt sei. "Ich wollte ihm einmal in die Augen schauen, um festzustellen, ob das ein Mittäter sein könnte." Außerdem sei es spannend gewesen, zu erfahren, wie Priklopil sein Privatleben über all die Jahre vor anderen dargestellt habe.

Dass die einzige Zeugin ihrer Entführung im Jahr 1998 heute noch immer behauptet, damals einen zweiten Täter mit Kampusch wegfahren gesehen zu haben, kann sich das Opfer nicht erklären: "Am Anfang dachte ich wohl, dass sie sich verschaut hat. Aber wenn sie jetzt beinhart drauf besteht ..." Sie habe jedenfalls nur einen Entführer gesehen.

Verärgert über Adamovichs Aussagen

Über die umstrittenen öffentlichen Aussagen des Leiters der Evaluierungskommission, Ludwig Adamovich, zeigte sich das Entführungsopfer im "Thema"-Interview verärgert: "Darüber bin ich zunächst sehr empört. Ich verstehe nicht, wie sich Außenstehende so was anmaßen. Das ist für mich unverständlich."

Anfang August hatte Adamovich in einem Interview mit der "Kronen Zeitung" erklärt, die Zeit ihrer Gefangenschaft wäre für Kampusch womöglich "allemal besser" gewesen "als das, was sie davor erlebt hat". Kampuschs Mutter Brigitta Sirny brachte daraufhin Klage wegen übler Nachrede ein.

Dass ihre Mutter mit dem Verbrechen etwas zu tun haben könnte, glaubt das Opfer nach wie vor nicht: "Meine Mutter würde so etwas nie tun. Die würde nie ihr Kind verkaufen, entführen und einsperren lassen. Ich finde es unglaublich empörend, dass Menschen so etwas glauben können."

Einzug ins Entführer-Haus kein Thema

Ins Haus ihres Entführers in Strasshof will Kampusch entgegen mancher Gerüchte im übrigen nicht übersiedeln. "Das ist natürlich absoluter Humbug. Ich ziehe dort garantiert nicht ein." Sie habe in letzter Zeit allerdings öfters administrative Erledigungen in dem Haus gehabt, etwa um den Wasserzähler auszuwechseln.

Priklopils Auto habe sie aus der Verlassenschaft ausgelöst, da sie die Befürchtung gehabt habe, dass "verrückte ausländische Menschen das kaufen, weil sie Priklopil bewundern".

Konfrontiert mit "Verrückten"

Ein normales Leben zu führen, fällt Kampusch trotz bevorstehendem Schulabschluss auch drei Jahre nach ihrer Flucht schwer, wie sie einräumte. Sie sei konfrontiert mit "Verrückten, Verschwörungstheoretikern", aber auch Anfeindungen "der einfachen Leute auf der Straße", schilderte sie.

Das Land habe sie aber trotz fehlender Anonymität nie verlassen wollen, betonte Kampusch: "Warum sollte ich als Verbrechensopfer, als Mensch, dem man schon so viel genommen hat, warum sollte ich kleinbeigeben und die Flucht ergreifen? Ich nicht. Ich bleibe hier und lebe das Leben, das ich gelebt hätte, wenn mir das alles nicht passiert wäre." (APA)