Richard Grasl, Chefredakteur des Landesstudios Niederösterreich, wird sich für den Job des Kaufmännischen Direktors bewerben, sagte er dem STANDARD: "Ich kenne Wunsch des Generaldirektors, mich für diese Funktion vorzuschlagen, und werde mich deshalb bewerben."
Grasl kennt die ORF-Zentrale, Landesstudios sowie ORF-Programm und verfügt über eine kaufmännische Ausbildung. Er war vor seiner Arbeit als Chefredakteur im Landesstudio Niederösterreich in der "Zeit im Bild 2" gemeinsam mit Gerald Gross für die Leitung der Innenpolitik zuständig, und er hat Handelswissenschaften mit dem Spezialgebiet Unternehmensführung und Controlling studiert. Grasl geht davon aus, dass er dem ORF in der derzeitigen Lage helfen kann. Dass die ÖVP der Gebührenrefundierung nur unter der Bedingung zugestimmt habe, dass der Kremser ins Direktorium aufrückt, glaubt Grasl nicht.
Druck der ÖVP
In der langjährigen Geschichte des ORF ist der Rückzug eines ORF-Direktors ein äußerst seltenes Ereignis. 1996 ist der damalige Technische Direktor Karl Matuschka wegen Differenzen mit ORF-Chef Gerhard Zeiler aus seiner Funktion ausgeschieden. Und 1993 wurde der damalige Programmdirektor Ernst Wolfram Marboe vom ORF-Aufsichtsgremium im Zusammenhang mit Vorwürfen wegen einer Operetten-Aufzeichnung abgewählt. Der aktuelle Rückzug Mayerhoffers, die auf einem ÖVP-Ticket im ORF-Direktorium saß, erfolgte nach Medienberichten vor allem auf Druck der ÖVP, die ihren Wunschkandidaten Grasl auf dem Platz des Kaufmännischen Direktors sehen will.
In den Gängen des ORF war in den vergangenen Tagen denn auch ein gewisses Gemurre vernehmbar. "Brutal wie nie" oder "Medienpolitik als Fortsetzung der Parteipolitik mit anderen Mitteln" lauteten die Kommentare zum kolportierten Abtausch 160 Mio. Euro Gebührenrefundierung gegen eine Personalentscheidung. Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer sprach bei einem Medien-Symposium in Graz vergangene Woche gar von einem "paradigmatischen Fall: Kaufmännischer Direktor - dann gibt's ein Geld". Laut Gusenbauer halte man den ORF offenbar für schikanierbar. "Bei allen Reformen steht im Mittelpunkt, wie kann man am besten den politischen Zugriff verbessern." Freier als unter seiner Kanzlerschaft sei der ORF nie gewesen, so Gusenbauer.
"Sie werden ihre Schlüsse ziehen"
Medien-Staatsekretär Josef Ostermayer (S) meinte am Dienstag zum bevorstehenden Wechsel in der Kaufmännischen Direktion vor Journalisten: "Sie werden ihre Schlüsse ziehen." ÖVP-Medienverhandler Karlheinz Kopf wies einen Zusammenhang zwischen der Gebührenrefundierung und dem Wechsel in der Kaufmännischen Direktion hingegen als "Unsinn" zurück. Und während sich Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek von der SPÖ darüber freute, dass im neuen ORF-Gesetz für alle Stellenausschreibungen eine Frauenquote von 45 Prozent festgeschrieben wird, wurde die Frauenquote im ORF-Direktorium auf Null Prozent gesenkt.
Fürs Erste sind nun keine weiteren Änderungen unter den ORF-Direktoren geplant. Auch die Online-Direktion, deren mögliche Abschaffung beziehungsweise Eingliederung in die Radio-Direktion in den vergangenen Monaten immer wieder diskutiert wurde, bleibt vorerst erhalten. Online-Direktor Thomas Prantner hat in den vergangen Tagen klare Signale aus der SPÖ und auch vom Koalitionspartner ÖVP erhalten, dass er seine Funktion bis zum Ende der Geschäftsführungsperiode ausüben kann. Prantners Standing dürfte sich auch durch die positiven Reaktionen auf die erst am Montag gestartete Internet-TVthek des ORF verbessert haben. Einen Wechsel an die Spitze des ORF-Spartensenders TW 1 hatte der Online-Direktor zuletzt jedenfalls ausgeschlossen.
Ein General und vier Direktoren
Spätestens 2012 steht mit der neuen Geschäftsführungsperiode eine Verkleinerung des ORF-Direktoriums auf einen Generaldirektor und maximal vier Direktoren an. Mögliche Ressortaufteilung: ein Generaldirektor, wobei Wrabetz nach derzeitigem Stand gute Chancen auf eine weitere Funktionsperiode hat, ein Fernsehdirektor, ein Radio- und Onlinedirektor sowie ein Kaufmännischer und ein Technischer Direktor. Möglich wäre auch noch eine weitere Verkleinerung unter die gesetzlichen Vorgaben, indem kaufmännische und technische Agenden zusammengeführt werden. (APA/fid)