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Neue Blase in Russland? Der Währungsfonds beobachtet die Entwicklungen an der Moskauer Börse sorgenvoll.

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Wien - Ein systemischer Zusammenbruch des Finanz- und Wirtschaftssystems sei in Zentral- und Osteuropa zwar verhindert worden. Aber die Folgen der Weltwirtschaftskrise werden die Region in den kommenden Jahren schwerer belasten als den Rest der Welt. Zu dieser Einschätzung gelangte der Chefökonom der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), Erik Berglöf, am Rande einer Tagung der Oesterreichischen Nationalbank zur Wirtschaftsintegration in der Region am Dienstag in Wien.

"Osteuropa wird in puncto Wachstum hinter dem Rest der Welt zurückbleiben", sagte Berglöf im Standard-Gespräch. "In den kommenden Jahren wird das die Region mit dem niedrigsten Wirtschaftswachstum sein." Nachsatz: "Das ist keine gute Sache für die österreichischeWirtschaft." Österreichs Unternehmen hätten aber nie eine andere Wahl gehabt, als in der Region zu expandieren.

Berglöf stellte in Wien zentrale Erkenntnisse des jüngst veröffentlichten EBRD-Bericht zur Transition der Wirtschaft in Osteuropa vor. In ihrem Bericht lobt die Bank zwar die Wirtschaftsintegration der ehemals kommunistischen Staaten in das westeuropäische Modell. Die Abhängigkeit des Ostens vom Westens sei aber zu hoch. Gleichzeitig kritisiert der EBRD, dass Banken durch exzessive Kreditvergabe die Krise mitangefacht haben.

Mit ungewöhnlich offenen Warnungen vor den Entwicklungen in Osteuropa überraschte am Dienstag auch der Internationale Währungsfonds (IWF). Die Erholung an den Finanzmärkten in der Region sei fast ausschließlich auf den gestiegenen Risikoappetit der Anleger zurückzuführen, sagte der IWF-Ökonom Christoph Rosenberg.

Der Zufluss von in den USA und in Westeuropa frei gewordenem Kapital sei nicht auf eine Veränderung der wirtschaftlichen Ausgangslage zurückzuführen. "Es ist ein Problem, wenn die Märkte durch die Psychologie und nicht die fundamentalen Daten angetrieben werden." Rosenberg warnte zugleich vor dem platzen einer neuen Blase, der Zufluss von Kapital sei besonders in Russland und Polen sehr stark gewesen.

"Können nur warnen"

Tatsächlich ist der russische Börsenindex RTS seit März um über 140 Prozent gestiegen. Der polnische Index WIG 20 legte um 45 Prozent zu, das entspricht etwa den Zuwachs des ATX in Wien über die vergangenen Monate.

Auf Spekulationen, wann eine Korrektur der Märkte erfolgen wird, wollte sich Rosenberg nicht einlassen. Was der IWF tun könne, um einen neuerlichen Absturz im kommenden Jahr zu verhindern:"Wir können nur das tun, was wir auch vor der Wirtschaftskrise getan haben: warnen."

Die EBRD rechnet in den kommenden Monaten mit vermehrten Kapitalabfluss aus dem Osten. "Ein flächendeckender Rückzug der Banken ist wegen der öffentlichen Interventionen ausgeblieben", meint Berglöf. Bestimmte "Anpassungen" stünden aber bevor. Wenn ausländische Banken ihr Engagement in der Region zurückfahren und Tochterbanken weniger Kapital zur Verfügung stellen, sollte das nicht als Versagen des Bankensystems gewertet werden.

Um die Anpassungen zu ermöglichen müssen auch internationale Vereinbarungen modifiziert werden. Die Finanzinstitutionen, darunter EBRD und IWF, haben im Rahmen der "Wiener Initiative" mehreren westeuropäischen Banken milliardenhohe Finanzspritzen gegeben. Im Gegenzug sollen diese Banken ihre Töchter im Osten weiter finanzieren. Die UniCredit bekam etwa 430 Mio. Euro. Nun finde eine Umstellung statt, sagte Berglöf. Die von den Banken verlangte Refinanzierungsquote werde von 100 auf 90 Prozent zurückgefahren. (András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe, 18.11.2009)