Das ist die Wespenbussardweibchen Natascha. Sie überwintert gerade in Westafrika. Ihre zehntägige Reise durch die Sahara konnte aufgrund von Impulsen, ausgehend von einem Sender auf ihrem Rücken, nachvollzogen werden.

Foto: Anita Gamauf

Die Sakerfalken wurden Anfang Juli ausgewildert und haben seither schon einige interessante Daten geliefert: zum Beispiel, dass sie mit einem Tempo von 111 km/h von Wien nach Bratislava fliegen.

Foto: Anita Gamauf

Dass Schwalben und Störche im Herbst in den Süden ziehen, weiß jedes Kind. Weniger bekannt ist, dass auch einige der bei uns heimischen Greifvögel die kalte Jahreszeit in wärmeren Regionen verbringen. Über ihre "auswärtigen" Aktivitäten ist jedoch kaum etwas bekannt - ein Übel, dem Wiener Vogelkundler mithilfe der immer leistungsfähiger werdenden Satelliten-Telemetrie beizukommen versuchen.

In den 1980er-Jahren wurden große Säuger wie Eisbären oder Karibus mit Sendern ausgestattet, um ihre Wanderwege zu verfolgen. Mit rund einem Kilo waren die damaligen Transmitter nicht für den Einsatz an Vögeln geeignet. Der wurde erst möglich, als Geräte entwickelt wurden, die nicht mehr als 200 Gramm auf die Waage brachten, und auch dann nur für so mächtige Arten wie Weißkopfseeadler oder Singschwan. Heute sind Sender auf dem Markt, die nur 22 Gramm wiegen und damit auch für mittelgroße Vögel geeignet sind.

Ausgewilderte Nachkommen

Einer davon ist der Sakerfalke, der mit einem Bestand von 20 bis 25 Paaren zu den seltensten Brutvögeln Österreichs gehört und vom Aussterben bedroht ist. Auch global gesehen ist er eine ziemliche Rarität: Weltweit wird sein Bestand auf rund 8000 Brutpaare geschätzt. Nachschub bekommt die österreichische Population seit 2006 aus dem Greifvogelschutzzentrum (GVZ) Lobau, wo Leiter Robert Dosedel verletzte und verunglückte Greife gesundpflegt. Zwei Saker-Paare, die danach nicht mehr in die Freiheit entlassen werden konnten, sorgen für Nachkommenschaft, die jedes Jahr ausgewildert wird.

Ab Mitte Juni werden die Jungen flügge, Ende August verlassen sie das elterliche Brutgebiet und ziehen ... tja, wohin? Darüber ist kaum etwas bekannt.

Anita Gamauf, Greifvogelspezialistin am Wiener Naturhistorischen Museum, hat die heurigen beiden Jungfalken erstmals mit Satellitensendern ausgestattet, die es ermöglichen, ihre Wanderbewegungen und Aufenthaltsorte zu verfolgen. Dazu wird den Vögeln der Sender mit Kunststoffbändern wie ein Tornister auf den Rücken geschnallt.

Im Unterschied zu den früheren batteriebetriebenen Transmittern, deren Lebenszeit auf bestenfalls einige Monate beschränkt war, sind die heutigen Geräte solarbetrieben und können jahrelang funktionieren. Die Verfolgung der Signale erfolgt über sechs Satelliten, deren Daten an zwei Bodenstationen in Frankreich und den USA und von dort alle drei Tage an Anita Gamauf gesendet werden.

Reise in den Tod

Lamonica und Eva, wie die beiden Saker-Weibchen von einer Schulklasse getauft wurden, wurden Anfang Juli ausgewildert und haben seitdem schon eine Menge interessante Daten geliefert: So legte Lamonica die Strecke von Gänserndorf bis Bratislava in genau 20 Minuten zurück, was einer Fluggeschwindigkeit von 111 Kilometern pro Stunde entspricht, und Eva bewältigte innerhalb von zwei Tagen die 700 Kilometer bis in die mittlere Ukraine.

Die Daten zeigen auch, dass die beiden Schwestern ein sehr unterschiedliches Zugverhalten an den Tag legten: Während sich Lamonica wochenlang hauptsächlich in der Slowakei aufhielt und ihre eigentliche Reise erst mit dem plötzlichen Wintereinbruch am 14. Oktober antrat, brach ihre Schwester Eva schon wenige Tage nach ihrer Freilassung in die Ferne auf, wo sie allerdings ein frühes Ende fand: Bereits Ende Juli wurde sie von Ornithologen in Polen überfahren aufgefunden. Lamonica hält sich seit 19. Oktober in Sizilien auf.

Zusätzlich zu den Sakerfalken wurden auch zwei junge Wespenbussarde besendert. Diese Greifvögel sind typische Langstreckenzieher, die den Winter im tropischen Afrika verbringen. Die Jungvögel fliegen in ihrem ersten Herbst weg und kommen erst wieder, wenn sie geschlechtsreif sind, also zwei bis drei Jahre später. "Wir haben keine Ahnung, was sie bis dahin tun", erklärt Anita Gamauf. Sicher ist, dass der Wespenbussard, der hierzulande ein recht häufig anzutreffender Brutvogel ist, europaweit dramatisch im Rückgang begriffen ist. Schuld daran ist zu einem guten Teil menschliche Verfolgung: In vielen Ländern, die auf der Zugroute liegen, ist der Abschuss von Greifen eine Prestigesache.

Der Tod könnte jedoch auch über die Nahrung kommen: "In den Gebieten, in die die Wespenbussarde ziehen, sieht man auf Google Earth große einheitliche Flächen. Das könnten Baumwollfelder sein, die notorisch schwer mit Pestiziden belastet sind", spekuliert Gamauf. Und als Nahrungsspezialist, der sich zu 80 Prozent von Wespen- und Hummellarven ernährt, könnte der Wespenbussard auf diesem Wege fatale Mengen Gift zu sich nehmen. Ein weiteres Kernproblem ist die Abholzung der Regenwälder, des eigentlichen Überwinterungslebensraumes.

Nächstes Jahr hofft Gamauf, die Gegend zu besuchen, um sich die Verhältnisse vor Ort anzusehen. Die beiden Wespenbussardweibchen Natascha und Ernestine befinden sich derzeit jedenfalls in Westafrika. Dorthin gelangten sie, obwohl sie völlig unabhängig voneinander zogen, auf weitgehend demselben Weg. Speziell die Strecke, auf der sie die Sahara überquerten, ist praktisch identisch: Beide legten die knapp 3000 Kilometer, die dafür nötig sind, innerhalb von zehn Tagen zurück.

Fortsetzung folgt

Gewöhnlich nimmt man für Telemetrie-Untersuchungen erwachsene Tiere, da Jungvögel im ersten Jahr eine Sterblichkeit von rund 50 Prozent aufweisen. "Wir arbeiten in diesem Projekt mit Jungvögeln, um mehr über Lebensraumansprüche und Migrationsverhalten in diesem Lebensabschnitt zu erfahren", erklärt Gamauf.

Ein anderer Grund, warum Jungvögel in der Telemetrie selten sind, hat mit dem Effekt der hohen Mortalität auf die Verfassung der Forscher zu tun: "Man übernimmt Verantwortung für die Tiere, die man besendert", weiß Gamauf aus eigener Erfahrung, "und jedes Tier ist mit einem gewissen Herzklopfen verbunden." Da ist es natürlich hart zu wissen, dass statistisch nur jedes zweite überlebt. Im kommenden Jahr sollen vier weitere Junggreife mit Sendern ausgestattet werden. Das Naturhistorische Museum, das Greifvogelzentrum Lobau und die Hochschul-Jubiläumsstiftung der Stadt Wien haben bereits ihre Unterstützung zugesagt. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 18.11.2009)