Kader Attia fotografierte die algerische Wehranlage, die das Schwimmen zu den westwärts fahrenden Schiffen verhindern soll

Foto: Attia

"Ich fülle den Raum mit Leere an" , sagt Kader Attia und meint damit keine Verweigerung, keine Negation von Material. Vielmehr sind es das Ephemere, die Vergänglichkeit, ein Skulpturenbegriff des Flüchtigen, die das Werk des französischen Künstlers, der zwischen Algerien und der Pariser Vorstadt aufwuchs, ausmachen. Ein poetischer Zugang, der sich mit politischen Anliegen Attias verknüpft.

Po(l)etical, der Titel seiner Personale in der Galerie Krinzinger, manifestiert sich nach ebendiesen Prämissen von Erscheinen und Verschwinden als Neonschriftzug - das schwarze "L" , ebenso beiläufiger Strich wie notwendiger Moment des Innehaltens.

"Leere ist nicht nur Raum, sondern auch Zeit" , spricht Attia, der schon vergangenes Jahr bei Krinzinger Projekte Aluminium-Geister schuf:Von den abgenommenen Körpern blieb ihre negative Form und die Erinnerung. Auch die auf Sockeln drapierten Plastiksackerln - allein ein Luftzug verändert ihre ursprüngliche Form - sind Beispiele für dieses Verständnis. Oder aber das Bild der Kaaba, des zentralen Heiligtums des Islam, deren Würfelform er mit Wasser und Pinsel auf dickes braunes Papier zeichnet. Dass sie als Form verschwindet - ein Schicksal, dass auch die in eine Couscous-Wüste gebettete schwarze Box Couscous Kaaba bedroht -, ist nicht wichtig.

Wichtig ist hingegen der Umstand, dass die perfekte, simple Form der Kaaba quasi der erste modernistische Bau ist: Le Corbusier sah in der vom religiösen Bauwerk der Kaaba beeinflussten algerischen Wüstenarchitektur (Ghardaia, 11. Jahrhundert)seine architektonischen Ideen vorweggenommen. Entlehnt und für das "Neue Bauen" weiterentwickelt, kamen sie irgendwann als Sozialbauklötze zurück nach Algerien: Wohnmaschinen, die Attia in sehr politischen, systemhinterfragenden Fotografien einfängt und die im Betrachter lange nachwirken. (kafe / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.11.2009)