Das Kunstministerium steht den Plänen wohlwollend gegenüber – denkt aber nur an eine Schmalspurvariante
Wien - Das der Autonomie beraubte Museum für Völkerkunde in der Neuen Burg leidet: Die Sonderausstellungsräume nutzt das Kunsthistorische Museum, derzeit ist das Gebäude geschlossen, und für die Einrichtung der Schausammlung gibt es kein Budget. Auch das Volkskundemuseum ist in einer misslichen Lage: Die Stadt Wien verlangt die Sanierung des ramponierten Palais, die man ob der mickrigen Unterstützung durch den Bund nicht finanzieren kann.
Gemeinsam haben sich die beiden Institutionen aus dem Sumpf zu ziehen versucht - und dabei ganze Arbeit geleistet: Schon im Frühsommer legten sie ein durchdachtes Konzept für die Fusion im Corps de Logis vor. Einen Namen für dieses neuartige Museum der Kulturen hat man noch nicht gefunden: Im 43-seitigen Konzept, das dem Standard (und der APA) zugespielt wurde, wird es lediglich als MuseumNEU bezeichnet.
Michael Franz, der Leiter der Kunstsektion, machte das Projekt zu seinem eigenen: Er setzte Peter Menasse als Moderator ein und gehörte dem übergeordneten Lenkungsausschuss an. In einer Zusammenfassung für Kulturministerin Claudia Schmied, die dem Standard vorliegt, schreibt er:"Das vorliegende Ergebnis hat die Zustimmung aller Mitglieder des Lenkungsausschusses, wird von der Stadt Wien positiv gesehen und stellt aus Sicht der Sektion IV einen Vorschlag dar, mit der aus einer Problemlösung gleichzeitig eine kulturpolitische Weichenstellung wird. Beide Museen werden dadurch wieder handlungsfähig."
Unabdingbar ist etwa die Selbstständigkeit. In der Arbeitsgruppe herrschte, wie es im Konzept heißt, "Einigkeit darüber, dass die bisherige Konstellation des Museums für Völkerkunde als untergeordnete Institution des Kunsthistorischen Museums (KHM) aus unterschiedlichen Gründen nicht funktioniert hat." Das neue Museum erfordere den "Status einer eigenen unabhängigen wissenschaftlichen Anstalt und juristischen Person."
Entscheidung noch 2009
Das KHM dürfte nichts dagegen haben, das Volkskundemuseum aufzugeben: Generaldirektorin Sabine Haag, Finanzchef Paul Frey und Peter Püspök, der Vorsitzende des Kuratoriums, saßen in eben jenem Lenkungsausschuss, der dem Konzept zustimmte - allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Kunstkammer realisiert wird, deren Wiedereinrichtung Schmied vor nun schon eineinhalb Jahren bei Haags Bestellung versprach.
Das Autorenteam hat auch konkrete Ideen zur Umsetzung, die von Franz in seiner Zusammenfassung übernommen wurden: Noch 2009 "Entscheidung" - der Ministerin bleibt also nicht mehr viel Zeit. 2010 folgt der "Übergang" : Abspaltung des Völkerkundemuseums aus dem KHM-Konzern, Konzeptarbeit für die neue Schausammlung zu den Themenfeldern "Weltenschätze" und "Geschichte und Geschichten" . 2011 kommt es dann zum "Neustart" : Namenswechsel, Eröffnung der neu gestalteten Bereiche im Hochparterre des Corps de Logis, Einzug des Volkskundemuseums, Beginn der Vermittlungsaktivitäten im neuen "Labor" . Und von 2012 bis 2016 schließlich die "Fertigstellung" : Eröffnung der restlichen Schausammlungsbereiche in drei Segmenten.
Es liegt auch eine Kostenkalkulation vor. Im Zuge des Diskussionen mit dem Ministerium kam es allerdings zu Redimensionierungen: Ursprünglich wurden die Kosten für alle Maßnahmen ("Vollversion" ) mit 24,12 Millionen Euro beziffert, derzeit steht man bei 22,76 Millionen. Allein die Einrichtung der Schausammlung kommt auf zumindest 10,66 Millionen Euro. In einem Fact-Sheet ans Ministerium halten die Konzeptautoren fest:"Weitere Einsparungspotentiale würden die Realisierung und den Erfolg des Projekts in Frage stellen. Ein Verzicht, beispielsweise auf die Gastronomie, würde eine negativer Entwicklung bzgl. Einkommen und Öffentlichkeitswirkung nach sich ziehen."
Im Papier von Franz, das die Grundlage für Schmieds Entscheidung bildet, werden allerdings nur grotesk niedrige Investitionskosten angeführt: 500.000 Euro 2009, 1,5 Millionen nächstes Jahr, zwei Millionen 2011, eine Million 2012, gar nichts 2013 und fünf Millionen erst 2014. Diese Ansätze seien, so heißt es, realisierbar.
"Knackpunkt" der Fusion ist also weniger, wie die APA glaubt, die angestrebte Autonomie, sondern das Budget - sowohl für den Umbau, also auch den Betrieb. In den beiden Museen schwankt man derzeit zwischen Euphorie und Ernüchterung. Denn ein Zeichen dafür, dass der Neustart doch nicht so schnell vonstatten gehen könnte, ist die neue Museumsordnung, die demnächst von Schmied erlassen wird: In dieser ist das Museum für Völkerkunde - wie auch das Theatermuseum - weiter Teil des KHM.
ÖVP-Kultursprecherin Silvia Fuhrmann findet die Zusammenlegung der Museen in Zeiten der Globalisierung einen sinnvollen Ansatz. Ihr Kollege von den Grünen, Wolfgang Zinggl, der schon seit Jahren ein Museum der Kulturen fordert, plädiert für die Umsetzung des Konzepts - ohne Abstriche. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.11.2009)