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Gedenktafel für die Ermordeten in Rechnitz.

Foto: APA/Buchegger

Wien/Duisburg - Recherchen eines Studenten des Wiener Politikwissenschaftlers Walter Manoschek haben zur Anklage eines mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrechers in Duisburg (deutsches Bundesland Nordrhein-Westfalen) geführt. Wie der Universitätsprofessor der APA am Mittwochabend bestätigte, seien im Rahmen eines Forschungsprojekts im Burgenland zwei Tatzeugen ausfindig gemacht worden, die bestätigt hätten, dass der heute 90-jährige SS-Mann im März 1945 einen "nicht mehr marschfähigen Juden" erschossen habe.

Beim Forschungsprojekt, das vor zwei Jahren durchgeführt wurde, ging es eigentlich um das Massaker an 200 Juden im burgenländischen Rechnitz (Bezirk Oberwart) im März 1945. Manoscheks Student Andreas Forster recherchierte damals auch in der Nachbargemeinde Deutsch-Schützen, wo damals bei einem weiteren Massaker 58 jüdische Zwangsarbeiter umgebracht worden seien. Forster sei beim Studium von Gerichtsakten auf den Namen des 90-Jährigen gestoßen.

Im Zuge der Recherchen seien auch zwei Augenzeugen ausfindig gemacht worden. Die Angehörigen der Hitlerjugend machten zwar keine Angaben zum Massaker Ende März 1945, hätten aber bezeugt, dass der SS-Mann beim Weitermarsch einen jüdischen Zwangsarbeiter erschossen habe, so Manoschek. Weitere Recherchen in deutschen Archiven hätten den Verdacht gegen Adolf S. bestätigt. Ausfindig gemacht wurde er dann "mit einer simplen elektronischen Telefonbuchrecherche", berichtete Manoschek.

Der Universitätsprofessor führte dann auch ein persönliches Gespräch mit dem Mann. Er habe die Vorwürfe weder bestritten noch bestätigt, sondern angegeben, sich an nichts erinnern zu können. Manoschek erstattete daraufhin wegen "dringenden Tatverdachts" eine Anzeige bei der deutschen Staatsanwaltschaft.

Die Entdeckung der Wiener Wissenschafter wirft ein Schlaglicht auf Versäumnisse der österreichischen Justiz bei der Aufarbeitung von Nazi-Kriegsverbrechen. Im Fall Deutsch-Schützen gab es nämlich zwei Gerichtsprozesse (in den Jahren 1946 und 1956). Adolf S. sei jeweils zur Fahndung ausgeschrieben gewesen. Dass man ihn nicht finden konnte, sei beim ersten Prozess in der unmittelbaren Nachkriegszeit vielleicht noch nachvollziehbar gewesen, beim zweiten im Jahr 1956 aber nicht, kritisierte Manoschek. Schließlich lebte Adolf S. seit 1946/47 durchgehend an der selben Adresse und er habe auch seinen Namen nicht verändert. "Um es vorsichtig auszudrücken: Da ist nicht sehr intensiv ermittelt worden", sagte Manoschek.

Gegen den 90-Jährigen hatte die Staatsanwaltschaft Dortmund am gestrigen Dienstag Anklage erhoben. Die Zentralstelle für Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen wirft ihm vor, als Angehöriger der 5. SS-Panzer-Division "Wiking" mit anderen SS-Leuten und Angehörigen der Hitlerjugend in der Endphase des Zweiten Weltkrieges die Erschießung von mindestens 57 jüdischen Zwangsarbeitern in einem Waldstück in Deutsch-Schützen beschlossen und ausgeführt zu haben. Am selben oder darauffolgenden Tag soll er dann noch einen erschöpften jüdischen Zwangsarbeiter auf einem Marsch mit mehr als 100 Zwangsarbeiterin bei Jabing von hinten erschossen zu haben.(APA)