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Hunderttausende Menschen in und um New Orleans waren von den Fluten betroffen.

Foto: REUTERS/Rick Wilking

Washington - Es ist ein bittersüßer Sieg für Tanya Smith. Vier Jahre, nachdem ihr Haus in Chalmette nahe New Orleans komplett zerstört wurde, bekommt sie endlich Recht. Nicht allein Hurrikan "Katrina" sei für ihren Verlust verantwortlich, sondern auch die amerikanischen Streitkräfte, urteilte am Mittwoch ein US-Bezirksgericht. Das Militär soll der Krankenschwester daher umgerechnet 212.500 Euro bezahlen. Vier weitere Kläger teilen sich eine Summe von knapp 270.000 Euro.

Nach Ansicht von Bezirksrichter Stanwood Duval habe das Ingenieurkorps der Armee einen 80 Kilometer langen Schifffahrtskanal nicht richtig gewartet. Es sei "sorglos" und "kurzsichtig" gewesen. Das Korps, so Duval in seinem 156-seitigen Urteil, hätte aber dafür sorgen müssen, dass der Mississippi River-Gulf Outlet, 1965 von amerikanischen Truppen erbaut, keine Gefahr werden würde.

Der juristische Erfolg für die fünf Opfer - eine sechste Klage wurde abgeschmettert - könnte einen Präzedenzfall schaffen und zu Klagen von mehr als 100.000 Anwohnern und Geschäftsleuten entlang des Kanals führen. Auf die US-Regierung könnte eine Prozesswelle mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe zurollen.

Historisches Urteil

In einem Interview mit der Los Angeles Times bezeichnete Anwalt Pierce O'Donnell das Urteil als "historisch", da es bestätige, dass die Schäden nicht die Naturkatastrophe vom 29. August 2005 allein angerichtet habe, sondern hier ein "von Menschen geschaffenes Desaster verursacht durch das Ingenieurkorps" vorliege. Nach seiner Meinung habe sich der Kanal infolge von Erosion und mangelhafter Wartung verbreitet und sei zu einer "Autobahn" für die Flutwellen "Katrinas" geworden und habe wie ein "Trichter" gewirkt.

Die Bewohner im Osten New Orleans haben von dem Urteil nichts: Laut Duval sei das Korps nicht dafür verantwortlich, dass dort keine Flutbarriere errichtet wurde.

New Orleans' Bürgermeister Ray Nagin begrüßte das Urteil, vonseiten des Korps hieß es, dass Anwälte der Armee und des Justizministeriums die Entscheidung prüften. Beobachter gehen davon aus, dass die Regierung es anfechten wird. Ihre Anwälte hatten vor Gericht argumentiert, dass das Deichsystem dem gewaltigen Wirbelsturm nicht habe standhalten können.

Hurrikan "Katrina" war als Wirbelsturm der Kategorie 3 über New Orleans und die Bundesstaaten Louisiana, Mississippi und Alabama an der Golfküste hereingebrochen. Mehr als 1800 Menschen starben, die meisten davon in Louisiana, als in New Orleans die Dämme brachen und die Fluten den Großteil der Stadt unter Wasser setzten. Über 300.000 Menschen wurden obdachlos. (Rita Neubauer, DER STANDARD Printausgabe, 20.11.2009)