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Der Hausarzt soll die erste Anlaufstelle bei Krankheit sein, nicht das Spital.

Foto: APA/Robert Newald

Wenn sich am Donnerstag Österreichs Allgemeinmediziner in Graz zu ihrem 40. Jahreskongress treffen, gibt es wenig zu feiern. Hinter den Kulissen brodelt es.

Rund 45 Prozent aller Hausärzte sind älter als 55 Jahre, und Nachwuchs scheint nicht in Sicht. Dabei ist die Zukunft der Hausärzte in der Theorie der Gesundheitspolitiker rosig. Gatekeeper sollen sie sein, Patienten durch das Gesundheitswesen lotsen, das soll die Versorgung verbessern, die Qualität erhöhen und helfen, die Kosten einzudämmen.

Vor allem wenn das Gesundheitswesen in den kommenden Jahren aufgrund der steigenden Zahl älterer Menschen die Leistungen ausweiten muss, könnten Hausärzte eine wichtige Rolle spielen. Sie sollen helfen, die Patienten wohnortnah zu betreuen, damit diese nicht in die teuren Spitäler gehen. Allein Wien wird deshalb für eine optimale Versorgung der Bevölkerung im Jahr 2015 rund 830 niedergelassene Allgemeinmediziner benötigen - das sind 55 Hausärzte mehr, als es jetzt gibt, besagt der kürzlich vorgestellte "Regionale Strukturplan" der Stadt.

Das Ideal droht aber an der Realität zu scheitern. In den kommenden zehn Jahren gehen viele der jetzigen Hausärzte in Pension. Innerhalb der Ärzteschaft ist nun ein erbitterter Kampf über die Ausbildung der Jungmediziner in sogenannten Lehrpraxen ausgebrochen.

Die Zahl dieser praxisorientierten Ausbildungsplätze könnte sich ab 1. Jänner dramatisch reduzieren, warnen Allgemeinmediziner, die bisher Turnusärzte in ihren Praxen jeweils mindestens sechs Monate lang ausbilden. "Viele der Lehrpraxen werden zusperren", sagt der Grazer Allgemeinmediziner Michael Wendler, der in den vergangenen 18 Jahren selbst 26 Turnusärzte ausgebildet hat. Julia Baumgartner, Vorsitzende der Jungen Allgemeinmediziner Österreichs (JAMÖ), weiß sogar von Kollegen, denen eine bereits zugesagte Ausbildungsstelle im nächsten Jahr wieder gekündigt wurde.

Grund ist ein neuer Kollektivvertrag, der innerhalb der Ärztekammer ausverhandelt wurde - zwischen den niedergelassenen Ärzten als Dienstgeber und der Kurie der angestellten Ärzte als Dienstnehmer. Demnach sollen Turnusärzte in Lehrpraxen ab 1. 1. gleich viel verdienen wie Turnusärzte im Spital - nämlich 1300 bis 2600 Euro pro Monat. Zahlen sollen das jene Ärzte, die den Nachwuchs ausbilden. Das war zwar schon bisher so, das Gehalt war aber niedriger, weshalb angestellte Ärzte, Gewerkschaften und auch Jungmediziner wie Baumgartner den Vertrag grundsätzlich begrüßen.

Zu wenig Geld

Allerdings dürfte die Dienstgeberseite in der Ärztekammer die Rechnung ohne ihre Mitglieder gemacht haben. "Ohne öffentliche Förderungen kann ich ab Jänner niemanden mehr ausbilden, weil die Kosten zu hoch sind", sagt selbst der für die Lehrpraxen zuständige Referent der Wiener Ärztekammer Robert Lindner. Derzeit gebe es nur 900.000 Euro vom Bund für alle Lehrpraxen Österreichs. Um den Bedarf zu decken, braucht es aber rund 250 Ausbildungsplätze.

Nötig dafür sind laut Lindner sechs bis acht Millionen Euro sowie die Möglichkeit, die in der Ordination geleistete Arbeit der Turnusärzte auch den Krankenkassen verrechnen zu können. Für Lindner ist klar: "Die Lehrpraxis ist tot."

Die Folge der Entwicklung: Allgemeinmediziner könnten künftig nur noch in Spitalsambulanzen ausgebildet werden, was wiederum Auswirkungen auf die Qualität haben wird, kritisiert der Arzt und Public- Health-Experte Martin Sprenger, der in Graz die Ausbildung der Allgemeinmediziner mitorganisiert. "Wir brauchen dringend einen gut ausgebildeten Nachwuchs, und wir haben jetzt die Möglichkeit, eine neue Generation von Allgemeinmedizinern auszubilden, die in den kommenden Jahren die Lücken schließen und den steigenden Bedarf abdecken können."
Der Hausarzt soll die erste Anlaufstelle bei Krankheit sein, nicht das Spital. (Martin Rümmele, DER STANDARD Printausgabe, 23.11.2009)