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Yves Leterme, zweimal zurückgetretener Premier, könnte wieder an die Spitze kommen.

Foto: APA/EPA/Claus

Europa muss auf Belgien warten. Gemäß dem EU-Vertrag von Lissabon, der am 1. Dezember in Kraft tritt, hätte der belgische Premierminister Herman Van Rompuy bereits in zehn Tagen sein neues Amt als ständiger Präsident des Europäischen Rates antreten müssen.

Die Vorbereitung des nächsten regulären EU-Gipfels der Staats- und Regierungschefs Mitte Dezember, die Vorbereitung für den Klimagipfel in Kopenhagen kurz danach, hätte unter anderem zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört.

Aber Van Rompuy hat seine Kollegen bei seiner Kür am Donnerstag um Aufschub gebeten. In einem Gentlemen Agreement wurde vereinbart, dass er seine Arbeit erst mit 1. Jänner wirklich aufnehmen wird. Zuvor muss noch geklärt werden, wie es in dem vom Streit zwischen Flamen und Wallonen zerbrechlichen Königreich weitergeht. Van Rompuy steht seit Ende 2008 einer Fünf-Parteien-Koalition vor, die erst nach monatelanger Staatskrise auf Druck von König Albert II. zustande gekommen war.

Rompuys Vorgänger, der Christdemokrat Yves Leterme, hatte damals zurücktreten müssen, weil er bei der Milliardenhilfe für die Fortisbank die Öffentlichkeit und das Parlament getäuscht hatte über einen Versuch, Ermittlungen der Justiz zu beeinflussen. Dennoch wurde er im vergangenen Juli vor Abschluss der Untersuchungen gegen ihn zum Außenminister ernannt.

Nun geht angesichts des anstehenden Wechsels von des Flamen Rompuy "in den europäischen Sternenhimmel", wie selbst die französischsprachige Tageszeitung Le Soir schrieb, die Angst vor einer neuen Regierungskrise, vor der Spaltung des Landes um. Denn dem "Auserwählten" und scheidenden Premierminister ist das dreisprachige und im Föderalismus zersplitterte Land deshalb so tief verbunden, weil er diese Ängste zu bannen wusste.

Daher fiel die Euphorie über die Ehre in Europa nur kurz aus. Bereits Freitagvormittag berief der König Rompuy und die Chefs der fünf Regierungsparteien zu sich, um über die Zukunft zu sprechen. Es gilt als wahrscheinlich, dass wieder Leterme von der Mehrheitspartei der flämischen Christdemokraten zum Zug kommt, obwohl er in der Vergangenheit gleich zweimal von diesem Amt zurücktreten musste. Die französischsprachigen Flamen haben große Bedenken gegen ihn. Er hat sich als militanter, ungeschickter "Elefant" im politischen Zirkus Belgiens erwiesen, weil er unverblümt die flämischen Interessen bevorzugte. Andererseits hofft man mit dieser Lösung, auf eine komplette Regierungsumbildung verzichten zu können. (Thomas Mayer aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 21.11.2009)