Wir Österreicher sind bekanntlich alle Masochisten (Nationaldichter: Thomas Bernhard!). Daher lieben wir auch nichts mehr als die hohe Kunst der Selbstbeschimpfung. Die Donau ist der widerwärtigste aller Flüsse. Kein ekelhafteres Gebirge gibt es auf Gottes Erdboden als (Speib!) den Großglockner. Innsbruck ist die grauenhafteste aller Tiroler Hauptstädte. Die Mozartkugel ist die versiffteste aller Kugeln. Das Riesenrad ist das perfideste Rad der Weltgeschichte usw. usf.

So weit, so scheußlich. Andererseits aber auch so klar: Österreich ist einfach das Letzte. Komplizierter wird die Sache erst, wenn nicht wir uns selbst beschimpfen, sondern abartige Ausländer auf die Idee kommen, die Ehre der österreichischen Nation in den Dreck zu ziehen. Da hört sich der Spaß dann aber schnell auf. Oder lassen Sie sich vielleicht gern von einem Deutschen als "Schluchtenscheißer" apostrophieren? Na eben.

Aus all dem lernen wir, dass grenzüberschreitendes Länderbeschimpfen eine delikate Angelegenheit ist, die viel Übung im wohldosierten Absondern von Gemeinheiten und Giftigkeiten erfordert. Das gilt besonders im diplomatischen Milieu. Luis Buñuel hat in seinem Streifen Der diskrete Charme der Bourgeoisie vorgeführt, wie man es macht: Dort wird der Botschafter der Republik Miranda (Fernando Rey) den ganzen Film über von seinen Gesprächspartnern auf irgendwelchen Empfängen und Dinnerpartys mit derart unverschämten Fragen über sein Land konfrontiert, dass er schließlich gar entnervt mit einer Pistole um sich schießt: "Trifft es zu, dass die soziale Lage in Miranda eine Katastrophe ist?" "Sagen Sie, stimmt es, dass es in Miranda von alten Nazis nur so wimmelt?" (Usf.)

Angehende Diplomaten lernen das stilgerechte internationale Beleidigen in der Verwaltungsakademie der Bundes, wo ständig Anfänger- und Fortgeschrittenenkurse zum Thema "Unfreundliche Akte setzen - aber richtig" angeboten werden. Neben der indezenten, dummdreisten oder nachgerade beleidigenden Fragestellung erlernt man dort auch den sachgerechten Umgang mit Furzkissen und Scherzzigarren.

Der allerunfreundlichste Akt, den die Bundesregierung aber gegenüber einem Land X setzen könnte: Hubert Gorbach aus der Politpension zurückholen und als Sonderbotschafter in die Hauptstadt von X entsenden. Von hier bis zur formellen Kriegserklärung ist es nicht mehr weit. (Christoph Winder, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 21./22.11.2009)