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Wenn sechzehn Jahre nach seinem Tod ein neues Buch über Federico Fellini publiziert wird, sei die Frage nach relevanten Neuigkeiten erlaubt. Im Falle des von Tullio Kezich verfassten posthum erschienenen Buches der Filme fällt die Antwort positiv aus. Der im August verstorbene Literat war seit dem ersten Film Fellinis in dessen Autorenteam und zeit seines Lebens eng mit diesem befreundet. Er skizziert Fellini als feinsinnigen Philosophen, als Selbstzweifler, als Intellektuellen, der sich und sein soziales Umfeld stets hinterfragte. Fellinis Schaffen unterteilt er, etwas poetisch, in die Phasen des Abschiednehmens, der Wende, der Angst, des Wiedererwachens, der Desillusion und der Melancholie.

Neben pittoresken Tableaus aus den surrealen, zirzensischen Bilderwelten, den traumhaften Sequenzen barocker Opulenz enthülen die Aufnahmen des detailliert, versponnen, wild gestikulierenden Regisseurs subtil die verletzliche Person hinter der öffentlichen Maske. Kezich porträtiert Fellini mit augenzwinkernder Distanz, gleichzeitig sehr persönlich. Im Bereich des Okkulten bleibt das Geheimnis, weshalb das Filmprojekt Giovanni Mastorna einen Tag vor Drehbeginn abgesagt wurde. Kezich seziert wunderbar Fellinis wechselhafte, leicht schizophrene Exzentrik und dessen Verletzlichkeit, dessen inszenierten, impressionistischen Exzesse, dessen Revoltieren gegen den repressiven Katholizismus, gegen den zensierenden Staat. Agent Provocateur in der kollektiven Wahrnehmung öffentlicher Präsenz, privat sensibel, ruhig, besessen von Psychologie und übersinnlichen Phänomenen.

Bislang unveröffentlichte private Fotos zeigen Fellini mit Ehefrau Giulietta Masina, mit Fred Astaire, Yves Montand, Georges Simenon, mit Anita Ekberg (in Gummistiefeln) während der Proben zur (damals) skandalösen Szene im Fontana di Trevi, mit Ennio Flaiano, Nino Rota und selbstverständlich mit seinem Freund und kongenialen Alter Ego, dem göttlichen Marcello Mastroianni. Unvergesslich bleibt die rührende Sequenz des eine Einheit bildenden Ehepaares bei der Verleihung des Oscars 1993, als Fellini die in gebrochenem Englisch gehaltene Dankesrede mit den Worten "... and Giulietta, please stop crying!" quittierte, woraufhin diese sich naturgemäß weiter in Tränen auflöste.

Die fantastisch-surrealen, exzentrischen Traumsequenzen und orgiastisch, erotisch-obsessiven, bizarren, und melancholischen Bilderwelten haben weder an Bedeutung verloren noch an Wirkung eingebüßt. Fellineske Phantasmagorie. (Gregor Auenhammer, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 21./22.11.2009)