Irre, was mittlerweile alles möglich ist! Unser TV-Gerät bietet die Chance, eine Sendung (in Echtzeit) anzuhalten, um kurz Unaufschiebbares zu erledigen, und dann weiterzuglotzen. Zudem vermag man auch alles zurückzuspulen, um etwa zu prüfen, ob jemand wirklich dies oder doch jenes gesagt oder getan hat.

Es scheint revolutionär: Einst der Echtzeit, also dem Sendeaugenblick, ausgeliefert, sind wir nun frei, uneingeschränkte Herren über die TV-Zeit, und munter geht der Fortschritt weiter. Die ORF-TVthek gibt uns Material eine Woche lang frei zur Nachbetrachtung.

Offenbar ein Erfolg das Ganze: Eine Million Videoabrufe gab es in drei Tagen, die Hitparade der eingesehenen Inhalte, die online abgerufen wurden, führen Universum: Weinviertel, Thema: Kampusch-Interview, die Kurz-ZiBs und die ZiB24 an.

Insgesamt wird ein Drittel des ORF-Inhaltes online angeboten - dereinst vielleicht gar hundert Prozent? Natürlich stellt sich sofort die Frage nach langfristigen Folgen der zeitlichen Unabhängigkeit des Konsumenten, der das TV-Angebot immer mehr wie ein Historiker oder Archäologe behandeln kann. Die Tatsache des jederzeit reproduzierbare Augenblicks hebt ja den prickelnden Zwang auf, dabei sein zu müssen, um ja nicht etwas zu verpassen.

Eine Vermutung: Dass sich dies nicht irgendwann bald auf die Echtzeitsendungen nachteilig auswirken wird, ist schwer vorstellbar. Es könnte der ORF somit an der Archivierung seiner Inhalte zu leiden haben.

Andererseits: Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Ausweitung des Angebots auch eine Erweiterung der Publikumsmenge nach sich gezogen hätte. Besonders natürlich, wenn auch die Inhalte noch besser wurden ... (Ljubisa Tosic, DER STANDARD; Printausgabe, 21./22.11.2009)