Bild nicht mehr verfügbar.

Wolfgang Loitzl fährt mit dem Lift hinauf, um zum fünften Mal als Mannschafts-weltmeister zu landen. Das war im Februar und in Liberec. Heuer fährt er hinauf, um das gewonnene Selbstvertrauen gewinnbringend einzusetzen. Und wenn die Siege ausbleiben? "Dann nimmt mir das die Ruhe nicht."

Foto: APA/EPA/Xhemaj

Standard: Am Freitag hebt mit einem Mannschaftsspringen in Finnland der Weltcup an. Sie absolvieren wie alle Österreicher erst jetzt die ersten Schneesprünge. Ist das nicht etwas spät?

Loitzl: Nein, das handhaben wir schon länger so, und es hat sich bewährt. Die Erfahrung lehrt, dass die Gewöhnung, auch an die neuen optischen Reize, sehr schnell funktioniert. Nach zwei Einheiten, also acht bis zehn guten Sprüngen, sollte es passen. Mehr als 30 bis 35 Sprünge auf Schnee sind vor dem Saisonstart nicht notwendig.

Standard: Sie haben in der vergangenen Saison Erfolge wie noch nie gefeiert. Ist man da versucht, in der Vorbereitung alles möglichst unverändert zu lassen?

Loitzl: Ich bin bewusst wieder denselben Weg gegangen. Ich war nicht ständig mit der Mannschaft zusammen, habe nur einige ausgewählte Kurse mitgemacht und punktuell wie in Zakopane den Vergleich mit den anderen gesucht. Da war ich ganz gut dabei, das hat mir gereicht.

Standard: Woran haben Sie bewusst gearbeitet?

Loitzl: Es ging wie in den vergangenen beiden Jahren um Kleinigkeiten in der Sprungtechnik, vor allem was die erste Flugphase nach dem Absprung betrifft. Da versuche ich Schritt für Schritt mein Niveau hinaufzuschrauben.

Standard: Und körperlich?

Loitzl: Ich hatte eine Entzündung im rechten Knie, manchmal behindert mich das noch. Also gab es Phasen mit geringeren Trainingsumfängen. Das ist für mich aber kein grobes Problem, weil eine in den Jahren antrainierte Grundsubstanz da ist. Nimmt man die Vergleichstests innerhalb der Mannschaft her, bin ich um nichts schlechter als die anderen. Andererseits lag ich in den vergangenen Jahren in diesem Bereich an der Spitze. Das ist jetzt nicht mehr so. Thomas Morgenstern hat im Sommer gut gearbeitet und dürfte mich sogar überholt haben. Er wird von Jahr zu Jahr athletisch ausgereifter.

Standard: Beunruhigt Sie der Rückfall in diesem Bereich?

Loitzl: Nein, weil das Körperliche nur ein Teil des Ganzen ist. Beim Skispringen kommt es auf das Gesamtpaket an. Und ich habe gelernt, mit Schwierigkeiten umzugehen. Früher war ich bei plötzlich auftretenden Problemen manchmal nicht handlungsfähig. Heute bringt mich ein schlechterer Sprung nicht aus der Ruhe. Ich bin stressresistent geworden.

Standard: Der Vorteil des Alters?

Loitzl: Ich weiß besser mit meiner Energie umzugehen, kann mein Programm leicht rauf- und wieder runterfahren. Ich bin nicht permanent unter Strom. Dabei habe ich in der vergangenen Saison wohl als Einziger jedes Springen mitgemacht. Trotzdem hatte ich nie das Gefühl, dass es nicht mehr geht. Ich habe jedes Springen genossen. Wettkämpfe auszulassen, um Kraft zu sparen, kann nicht der richtige Weg sein. Für diese Wettkämpfe trainieren wir ja.

Standard: Sie waren schon vor der vergangenen Saison ein sehr guter Skispringer, aber eben kein Siegspringer. Haben Sie im Sommer manchmal daran gedacht, was wäre, wenn es in der neuen Saison nicht mehr für Erfolge reicht?

Loitzl: Man denkt unwillkürlich auch daran. Aber ich bin auf der Schiene, dass mir das Erreichte nicht mehr wegzunehmen ist. Sicher wäre ich enttäuscht, wenn ich nichts mehr gewinne, aber die Ruhe würde mir das nicht nehmen. Dazu habe ich schon zu viel erlebt an positiven und negativen Ausreißern. Der größte Erfolg war, dass ich an Selbstvertrauen gewonnen habe.

Standard: Sie haben aus den Erfolgen nicht richtig Kapital schlagen können. Der Hype war nach der Tournee und nach der WM kurz da, dann ist es schnell wieder ruhig geworden um Sie. Kränkt das?

Loitzl: Ich bin weder gekränkt noch enttäuscht. Ich habe bei der Tournee erstmals erlebt, wie das ist, im Mittelpunkt zu stehen. Danach war das flott wieder normal und nach der WM auch. Es war interessant zu sehen, wie schnell man uninteressant wird. Es geht eben immer um die Besten. Gegen Ende des Weltcups hat Gregor Schlierenzauer alles gewonnen.

Standard: Liegt's auch am Alter? Schlierenzauer und Morgenstern haben da durch ihre Jugend vielleicht andere Möglichkeiten.

Loitzl: Es ist schon so, dass man etwas anderes aus mir machen hätte können, wenn ich die Erfolge früher gefeiert hätte. Ich wäre formbarer gewesen. Jetzt bin ich eben eher der bodenständige Typ.

Standard: Das schlägt sich auch finanziell nieder. Sie haben noch immer keinen Kopfsponsor. Dazu kommt, dass ab nun der Sieg im Weltcup statt 30.000 nur noch 10.000 Schweizer Franken wert ist.

Loitzl: Dafür bekommen jetzt die besten 30 Springer Preisgeld. Das ist einerseits gut, weil ja auch die anderen, die nicht ganz Spitze sind, einen unheimlichen Aufwand betreiben. Jetzt haben die auch eine finanzielle Motivation. Andererseits ist es für Siegspringer schon hart. Der Gregor hat vergangene Saison 13 Springen gewonnen. Das wäre auf die neue Saison umgelegt ein brutaler Einschnitt. Das hätte man anders lösen müssen. Die Besten tragen das Skispringen. Das gehört honoriert. Bis vor fünf, sechs Jahren haben nur die ersten sechs Preisgelder bekommen, das war aber nicht viel.

Standard: Welchen Anteil am Gesamtverdienst macht bei Ihnen das Preisgeld aus? Trifft Sie wegen geringerer Werbeeinnahmen der Einschnitt beim Preisgeld härter?

Loitzl: Bei mir hat das Preisgeld zuletzt ungefähr ein Drittel ausgemacht. Selbst wenn es heuer wieder so gut läuft, wird der Anteil auf ein Viertel fallen. (Mit Wolfgang Loitzl sprach Sigi Lützow - DER STANDARD PRINTAUSGABE 21.11. 2009)