(Hinterzimmer eines Gasthofs. Klassentreffen einer Handelsschulabschlussklasse von 1984. Licht auf eine Personengruppe, bestehend aus Andi, Kurti und Yvonne, später Josef. Gespräch im Gange.)

ANDI (zu Kurti): Betafler, soso ... Betafler bei den ÖBB ... Und? Befriedigend?

KURTI: Beschissen. Wird ja kaum noch betafelt, geht immer mehr über Bildschirm. Außerdem werden wir möglicherweise ausgegliedert, ich kann von heute auf morgen ein neuer Selbständiger sein.

ANDI: Da wirst du einen Berater brauchen. Wenn du willst, mache ich dir einen Sonderpreis.

KURTI (erstaunt): Du? Bist du nicht mehr Befüller in der Schnapsbrennerei?

ANDI: Das geht heutzutage automatisch. Ich war dann eine Zeitlang Besamer auf einer Schweinefarm, aber das machen sie inzwischen auch maschinell. Deswegen habe ich im Fernstudium meinen Berater gemacht und habe jetzt meine eigene Firma.

YVONNE: Und? Läuft's?

ANDI: In letzter Zeit bescheiden.

YVONNE: Du brauchst eben eine g'scheite Beratung. Ich kann dir ein Angebot machen.

KURTI (noch erstaunter): Du bist auch Beraterin?

YVONNE: Ja. Ich war zuerst Bedienerin und habe dann genau wie der Andi den Betriebsberater gemacht, aber mir ist schnell klar geworden, meine eigentliche Stärke ist die Beraterberatung.

(Josef tritt zu ihnen. Er trägt eine Rolex und einen Maßanzug.)

KURTI: Servus. Edel schaust du aus. Auch Berater?

JOSEF: Vermögensberater. War ich. Aber das ist vorbei. Jetzt bin ich Bescheißer.

KURTI (bass erstaunt): Bescheißer?

JOSEF: Die Zeiten haben sich geändert. Früher hast du müssen tricksen bei den Kunden, heute ist Ehrlichkeit gefragt. Irgendwann hat meine Beraterin gesagt, Josef, so geht das nicht weiter, wir müssen etwas unternehmen, du musst auf die Kunden zugehen und sagen, liebe Kunden, ich sag's ganz ehrlich, das Einzige, was ich wirklich kann, ist bescheißen, und du wirst sehen, sofort haben sie Respekt, und wenn sie Respekt haben, vertrauen sie dir auch ihr Vermögen an, und du kannst sie abzocken, dass es sich für dich auszahlt. Naja, und wie du siehst...

KURTI (fassungslos): Das nennst du ehrlich?

JOSEF: Das ist ehrlich. (Vorhang)

(Antonio Fian, DER STANDARD/Printausgabe, 21./22.11.2009)