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Nach dem Kongress wurde im Restaurant diskutiert: Wie kann Russland modernisiert und aus der Krise geführt werden?, fragten sich Präsident Medwedew (li.) und Premier Putin.

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Die Wirtschaftskrise ist auch an der russischen Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) nicht spurlos vorübergegangen. Der 11. Parteikongress in St. Petersburg fand im Vergleich zum Vorjahr in deutlich abgespecktem Rahmen statt. Gespart wurde nicht nur beim angemieteten Saal, sondern auch beim Buffet.

Die Krise verfolgte die rund 600 Delegierten aber auch in den Reden von Regierungschef Wladimir Putin und Präsident Dmitri Medwedew. Die Wirtschaftskrise habe gezeigt, dass es ein Land teuer zu stehen komme, sich den Innovationen zu verweigern, Ressourcen zu verschwenden und zu viel Bürokratie zu haben, sagte Putin. Es gebe zwar Anzeichen, dass der Abschwung in diesem Jahr weniger tief als befürchtet ausfallen wird. "Das bedeutet aber ganz und gar nicht, dass die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, automatisch verschwinden", sagte Putin.

Der Regierungschef forderte "große Veränderungen", damit Russland in zwei bis drei Jahren wieder das wirtschaftliche Niveau vor der Krise erreiche. Putin kündigte einen harten Anti-Inflations-Kurs, Investitionen von rund neun Milliarden Euro in die Hightechbranche, die Erhöhung der staatlichen Rüstungsaufträge um 8,5 Prozent, sowie eine Abwrackprämie für russische Autos an.

Das Hauptaugenmerk der Kongressteilnehmer galt jedoch dem Zusammenspiel zwischen Putin und seinem Nachfolger Medwedew. Der russische Präsident hatte vor eineinhalb Wochen in seiner Rede zur Lage der Nation einen Modernisierungskurs für die russische Gesellschaft gefordert. Medwedew legte bei seiner Rede vor dem Parteikongress sogar noch nach. Die Partei, die von Putin geführt werde, müsse lernen, im offenen Wettstreit Wahlen zu gewinnen. Damit griff der Präsident die Kritik der Opposition auf, die der Regierungspartei bei den Regionalwahlen im Oktober massive Wahlmanipulationen vorwarf. "Demokratie ist für das Volk da, nicht Parteien", sagte Medwedew.

Trotz der Bemühungen des russischen Führungstandems, Geschlossenheit zu demonstrieren, orteten Beobachter Anzeichen von Verunsicherung in der Partei. Denn während Medwedew unentwegt die Modernisierung predigt, verabschiedete die Putin-Partei am Wochenende ein neues Programm im Zeichen des "russischen Konservatismus". Die Modernisierung unter dem Banner des Konservatismus herbeiführen zu wollen sei eine harte Nuss, sagte der Politologe Gleb Pawlowski laut der russische Tageszeitung Gazeta. Denn: "Der Kampf gegen den Konservatismus ist eine Voraussetzung für die Modernisierung."

Der russische Journalist Maxim Trudoljubow versuchte in der New York Times, die offensichtlichen Widersprüche zwischen Präsident und Regierungschef zu erklären. Demnach würden Putin und Medwedew die Bevölkerung nicht als Wähler, sondern als Publikum sehen. Während der eine die Zielgruppe der Älteren und Etablierten bedient, spricht der andere für die Jüngeren und die internationale Gemeinschaft. Die Widersprüche in ihren Aussagen seien daher nicht politisch zu sehen, sondern rein taktisch. Nachdem Putins Publikum größer ist, kann er mehr durchsetzen als er ankündigt, während Medwedew mehr ankündigt, als er durchsetzen kann, schreibt Trudoljubow. (Verena Diethelm aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2009)