Standard: Alle deutschen Opel-Standorte sollen erhalten bleiben, hat GM angekündigt. Kann man den Amerikanern denn noch trauen?
Koch: Es hieß, es müssten nicht unbedingt Werke geschlossen werden, nicht, es würden keine Werke geschlossen. Die erste Pflicht von GM ist es, jetzt ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen, wenn sie mit staatlichen Stellen über weitere Unterstützungen verhandeln wollen. Das erwarten wir schnell. Davor ist jede Diskussion, die wir als Politiker untereinander anfangen, nicht nur unsinnig, sondern auch gefährlich. Denn wir dürfen nie anfangen, mit General Motors eine Versteigerung von Arbeitsplätzen gegen öffentliche Zuschüsse zu organisieren. GM ist jetzt am Zug, und dann werden wir sehen.
Standard: Gibt es eine Deadline?
Koch: Opel gehört zu 100 Prozent GM. Solange sie nichts Präzises vom Staat erwarten, haben die Eigentümer selbst das Recht, Zeitpläne und Inhalte zu bestimmen. Fest steht aber: An die 100 Millionen Euro werden jeden Monat verbrannt, weil die Restrukturierungen nicht angefangen werden, von denen man seit einem Jahr weiß, dass man sie braucht. Jeder Tag, der gewonnen wird, zählt.
Standard: Mit wie vielen verlorenen Opel-Arbeitsplätzen rechnen Sie?
Koch: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Und ich habe auch nicht die Absicht, irgendjemandem die Arbeit zu erleichtern, indem ich eine Zahl nenne. Ich kenne das Konzept von Magna im Detail, und mein Eindruck ist, dass vieles von diesem Konzept, das offensichtlich gut ist, jetzt auch bei GM eine Rolle spielt.
Standard: Warum ist Magna nicht zum Zug gekommen?
Koch: Magna hat einen ausgezeichneten Job gemacht in diesem Bieterverfahren. Am Ende ist die Unstetigkeit des Managements von GM verantwortlich, sie haben das im Mai in höchster Not gegebene Wort zur Investorensuche nicht mehr eingehalten, als sie eine Chance sahen, das Geld wieder aus den staatlichen Quellen der USA zu bekommen. Das ist der Grund dafür, warum diese Anstrengungen und klugen Pläne jedenfalls für Magna umsonst waren. Auch wenn das Unternehmen GM von dem Know-how, das Magna eingebracht hat, sicher profitieren wird.
Standard: Die Opel-Belegschaft ist nicht mehr gut auf die Politik zu sprechen. Umgekehrt wurden Sie persönlich von Gegnern staatlichen Engagements bezichtigt, "Herz-Jesu-Sozialismus" zu betreiben.
Koch: Na ja, das ist ein so wichtiges Unternehmen für Deutschland, dass das nicht frei ist von der politischen Debatte. Ich bin Ministerpräsident eines Landes, in dem im Extremfall des Scheiterns von Opel 100.000 Menschen in den Familien der Arbeitnehmer von Opel und der angeschlossenen kleinen und mittelständischen Betriebe betroffen wären. Ich kämpfe unter marktwirtschaftlichen Bedingungen dafür, dass wir vielen dieser Menschen auch in Zukunft die Chance geben, eine Arbeit zu haben.
Standard: Streitthema der neuen Koalition ist die eben beschlossene Steuerreform. Wirtschaftsweise erklären, dass sich die Bundesrepublik das gar nicht leisten könne. Geht das auf Kosten der Länder?
Koch: Deutschland ist in der Frage, was es sich leisten kann, nicht gespalten in Länder und Bund. Wir müssen das Notwendige tun, damit das Wirtschaftswachstum möglichst schnell anspringt. Wir können mit unseren Ausgaben nicht hinter den Steuerausfällen dieser Tage hersparen. Deshalb ist das eine strategische Frage. Wenn wir nicht aufpassen, kommen die Amerikaner sehr viel schneller aus der Krise als wir in Europa. Aus diesem Grund hat Bundeskanzlerin Merkel gesagt: Wir müssen die Option haben, nach einem großen Zug im Jahr 2010, in dem wir etwa ein Prozent des BIP oder über 20 Mrd. Euro in den Konsum geben, auch im Jahr 2011 noch einmal nachzulegen. Wir werden endgültig entscheiden, wenn wir im Sommer die Zahlen für 2011 sehen. Aber es gibt eine Absicht der Koalition, diese Steuersenkung entsprechend zu verwirklichen.
Standard: Viele fragen sich, was eigentlich das Hauptprojekt dieser schwarz-gelben Koalition sei.
Koch: Es mag wenig kreativ erscheinen, aber in der jetzigen Lage ist es die Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums und die Behebung der schweren Schäden, die aus dieser Krise entstanden sind. Das ist die zentrale Aufgabe. Eine bürgerliche Koalition wird das immer unter dem Gesichtspunkt tun, den staatlichen Einfluss gering zu halten und marktwirtschaftliche Kräfte anzuregen.
Standard: Visionär klingt anders.
Koch: Diese Zeit, wahrscheinlich bis Ende 2011 oder Mitte 2012, ist eine, in der Krisenmanagement und Rettungsaktionen mehr im Vordergrund stehen als Visionen.(Christoph Prantner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.11.2009)