Thomas Prantner (45) ist bis 2011 gewählter Onlinedirektor des ORF und will weitermachen. Davor war Prantner Presse- und Marketingchef des ORF.

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Vor einer Woche startete Thomas Prantner sein zentrales Projekt "ORF-TVthek". Mission erledigt? Seinen Job zu kippen, fände der Onlinedirektor ein "falsches Signal", sagte er Harald Fidler.

STANDARD: Montag startete die Abrufplattform ORF-TVthek offiziell. Haben die Server standgehalten - oder war das Interesse ohnehin überschaubar?

Prantner: Die Server haben standgehalten und wir haben mit der ORF-TVthek einen ganz hervorragenden Start hingelegt. Die Gesamt-Videoabrufe haben sich, seitdem wir mit der ORF-TVthek online sind, nahezu verdoppelt.

STANDARD: Youtube hat just am Freitag vor Ihrem Start angekündigt, es biete nun auch Videos in Full HD, also High Definition mit 1920 mal 1080 Bildpunkten an. Wann darf man mit solchen Größenordnungen bei der ORF-TVthek rechnen, die mit 432 mal 240 gestartet ist?

Prantner: Das ist derzeit nicht unser vorrangigstes Ziel. Wir bieten HD auf ORF 1 und ORF 2 an, im Internet starten wir unsere Video-on-Demand-Plattform in SD-Qualität, so wie alle anderen öffentlich-rechtlichen Mediathek-Angebote. Aber für die Zukunft ausschließen möchte ich es nicht.

STANDARD: Die TVthek verzichtet zum Start auf Formate, die im Internet gut gehen müssten, vor allem die Comedys wie "Donnerstalk", "Willkommen Österreich" und dergleichen. Liegt das an EU-Vorgaben?

Prantner: Nein, dagegen gäbe es grundsätzlich keinen Einwand. Wir haben Comedy nicht im Startpaket, aber eine Erweiterung ist sicher ein Plan, den wir für 2010 verfolgen. Wir haben den Fokus zum Start auf öffentlich-rechtliche Kernprodukte gelegt, auf Information, Kultur, Wissenschaft, Bundesländer, das ist schon rund ein Drittel des ORF-Programms, ein wesentlicher Teil davon auch live. Dies ist ganz im Sinne unserer Strategie, ORF.at als Informationsonlinemedium zu positionieren.

STANDARD: Die "Seitenblicke" sind abrufbar. Ist schon entschieden, ob Sie auch Dominic Heinzls jüngeres Societyformat ab Jänner anbieten können oder kommt der auf einer eigenen Seite?

Prantner: Das ist noch offen. Ich werde dazu einen Vorschlag machen, die Letztentscheidung liegt bei Generaldirektor Wrabetz.

STANDARD: Die kommerzielleren "Seitenblicke"-Sonderformate wie die Gourmet-Ausgaben fehlen online. Hat das mit den EU-Vorgaben zu tun, dass die TV-Thek werbefrei sein muss?

Prantner: Ich nehme an, dass das der Beweggrund war, warum "Seitenblicke"-Gourmet- und -Holiday gestrichen wurden.

STANDARD: Müssen Sie aus "Bundesland heute" auch Kooperationen herausschneiden?

Prantner: In Sendungen eingreifen werden und müssen wir mit Sicherheit nicht. Die Patronanzen vor oder nach einer Sendung werden jedoch - so weit es möglich ist - herausgenommen. Derzeit liegen uns erst die wichtigsten EU-Rules vor, die detaillierten Ausführungsbestimmungen müssen jedoch noch genau rechtlich geprüft werden.

STANDARD: Sie machen dem Fernsehen Konkurrenz, müssen aber laut EU werbefrei bleiben, solange die neue Medienbehörde das Angebot nicht geprüft und abgesegnet hat. Ökonomisch klingt das nicht sehr sinnvoll für den ORF.

Prantner: Die ORF-TVthek ist keine Konkurrenz für das Fernsehen, sondern unterstützt es, in dem es dem Publikum die Möglichkeit gibt, dann fernzusehen, wo und wann es will. Ein wirklich öffentlich-rechtliches Service, auch für Österreicher, die im Ausland leben, arbeiten oder Urlaub machen, und durch Barrierefreiheit und Transkripte etwa der ZiBs für Menschen mit Behinderung. Die ORF-TVthek soll Fernsehen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Ob wir Onlinewerbung andenken, hängt von den Vorgaben des gerade verhandelten ORF-Gesetzes für Onlinewerbung ab. Danach überlegen wir in der Geschäftsführung, ob wir den Public Value Test angehen.

STANDARD: In aktuellen Sportsendungen fehlen in der TVthek Beiträge.

Prantner: Für manche Sportarten haben wir keine Onlinerechte, das schildern wir auch klar aus. Wir haben etwa Champions League, Bundesligalivespiel, ÖFB-Cup, Auslandsskirennen, zudem kleinere Sportarten wie Handball, Tennis. Die EU schreibt uns bei Premium-Sport vor, dass wir diese Sendungen nur 24 Stunden und nicht wie sonst sieben Tage anbieten können.

STANDARD: Die EU erlaubt auch, komplette ORF-Programme zeitversetzt anzubieten, etwa ORF 2, Onlinerechte vorausgesetzt. Darf man damit rechnen?

Prantner: Das ist eine strategische Frage, die noch zu entscheiden ist. Wir starten jetzt einmal ein anständiges Video-on-Demand-Angebot, das seinen Namen auch verdient. Wir hatten da Nachholbedarf, mussten erst die technischen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen dafür schaffen. Vor zwei Jahren konnten nur 1500 User gleichzeitig Video-Beiträge sehen, jetzt sind das bis zu 30.000.

STANDARD: Wieviele Abrufe hatte der ORF bisher, und wieviele sollen es mit der TVthek werden?

Prantner: Wir hatten zuletzt im Schnitt 2,6 Millionen Videoabrufe pro Monat, im Jänner über drei. Ich gehe von drei bis 3,5 Millionen Videoabrufen im Schnitt pro Monat im ersten Betriebsjahr aus.

STANDARD: Klingt eher bescheiden.

Prantner: Natürlich ist es unser Ziel, dass möglichst viele User die ORF-TVthek nutzen, aber wir gehen damit sicher nicht auf Quotenjagd. Das ist nicht Sinn und Zweck dieses Angebots. Die ORF-TVthek ist die wichtigste Innovation der vergangenen Jahre im ORF-Onlinebereich und ich freue mich, dass die Onlinedirektion mit dazu beitragen kann, den ORF von der klassischen Rundfunkanstalt in ein modernes Multimediaunternehmen weiterzuentwickeln.

STANDARD: Also Mission erfüllt, die Onlinedirektion kann man einsparen? Das scheint ORF-Chef Alexander Wrabetz zu überlegen.

Prantner: Die Onlinedirektion hat die ORF-TVthek entwickelt, aufgebaut, umgesetzt und ist auch für den laufenden operativen Betrieb verantwortlich. Damit ist aber erst die 1. Etappe geschafft. Wir wollen die ORF-TVthek Schritt für Schritt erweitern und planen auch weitere Projekte, wie VOD am Handy oder fürs TV, um ORF-Content auf allen multimedialen Plattformen anbieten zu können. Ich versuche weiter Überzeugungsarbeit zu leisten, dass es ein falsches Signal wäre, wenn das Zukunftsmedium Online strukturell abgewertet wird und aus der Geschäftsführungsebene im ORF gekippt wird. Online auf gleicher Augenhöhe mit TV und Radio zu etablieren, das ist mein Ziel.

STANDARD: Die ORF-Finanzdirektorin Sissy Mayerhoffer räumte ihren Job gerade - mehr oder minder - freiwillig. Für Sie gäbe es die Geschäftsführung von TW1. Wollen Sie sich's noch überlegen?

Prantner: Sicher nicht. Ich werde mich um keine andere Funktion bewerben. Der Stiftungsrat hat mich auf Vorschlag des Generaldirektors für fünf Jahre zum Direktor für Online und neue Medien gewählt. Ich habe die Absicht, diese Funktion bis Ende 2011 auszuüben. (DER STANDARD; Printausgabe, 23.11.2009/Langfassung)