Wohnhaus Rondo auf dem Marienplatz: Hinter der violetten Kunststoff-Fassade verbirgt sich ein Mikroklima mit Büschen, Stauden und genug Platz für einen nachbarschaftlichen Plausch zwischen Tür und Angel. (Foto: Paul Ott)

Projektinfo

Markus Pernthaler
Architekt ZT GmbH
Marienplatz 1
8020 Graz
Tel.: 0316/32 11 50
Fax: 0316/32 11 50-14
architekt@pernthaler.at
www.pernthaler.at

Foto: Paul Ott

Das futuristische Wohnprojekt Rondo in Graz wurde kürzlich mit dem Österreichischen Bauherrenpreis 2009 ausgezeichnet. Der Grund: Der Bauträger ÖWG/ÖWGES brachte dem Architekten immenses Vertrauen entgegen.

Der erste Blick ist fremd und ungewohnt. Fast könnte man meinen, Bauträger und Architekt hätten sich im Bauplatz verkalkuliert. Statt am Flughafen stellten sie ihren Flugzeughangar mitten ins dicht bebaute Grazer Häusermeer. Schimmernd violett, etwas ungreifbar wie nicht von dieser Welt, steht das Gebäude mit seiner wuchtigen Rundung auf dem beschaulichen Marienplatz. Wacker kämpft das steinerne Mütterchen samt Heiligenschein gegen die modernen Zeiten an. Vergeblich.

Hinter der futuristischen Fassade aus eingefärbtem Polycarbonat verbirgt sich ein Wohn- und Bürohaus mit insgesamt 66 Wohnungen, einigen Künstlerateliers und diversen gewerblichen Betrieben. Die fesche Haut aus Plastik dient nicht nur der Optik, sondern in erster Linie dem Klima und der Akustik. Was der Fußgänger nämlich nicht sieht: Durch die zusätzliche Fassade wird der Straßenlärm um ein paar Dezibel gedämmt. Dahinter herrscht ein Mikroklima, in dem mediterrane und japanische Gärten angelegt sind. Sie verschönern den Bewohnern die letzten Schritte bis zur Wohnungstür. Birken, Bambus und Palmenstauden wachsen in unmittelbarer Nachbarschaft aus dem Kies.

Auszeichnung für Auftraggeber

Kürzlich wurde Rondo Home & Business – so der offizielle Projekttitel – von der Zentralvereinigung der Architektinnen und Architekten Österreichs (ZV) als eines von insgesamt 14 Gebäuden mit dem Österreichischen Bauherrenpreis ausgezeichnet. Das Besondere an dieser Auszeichnung, die heuer bereits zum 42. Mal vergeben wurde: Sie richtet sich nicht an die Architekten, sondern an die Auftraggeber, die zuvor mit Mut und Grandezza ihre Liebe zur Architektur unter Beweis gestellt haben.

Die Österreichische Wohnbaugenossenschaft ÖWG/ÖWGES tat dies mit einer gehörigen Portion Vorschussvertrauen in den Grazer Architekten Markus Pernthaler. "Eines Tages stand er in der Tür und legte uns dar, dass er sich eine Zeitlang sehr intensiv mit einem Brachgrundstück im Bezirk Lend auseinandergesetzt hat", erklärt Geschäftsführer Christian Krainer, "das ist sehr ungewöhnlich, denn in der Regel tritt der Bauträger an den Architekten heran – und nicht umgekehrt."

Hochkomplexe Haustechnik

Da der Entwurf samt Plänen, Kostenschätzung und diffizil ausgetüftelter Energieversorgung so gut wie fertig war und auf Anhieb gefiel, stand einer Zusammenarbeit nichts im Weg. Dem Bauträger ÖWG/ÖWGES war das nur recht: "Die Energiegewinnung erfolgt über Erdregister, Sonnenkollektoren, Photovoltaik und Kraftwerksabwärme", erklärt Krainer. "Ein Projekt in dieser technischen Kombination hatten wir zuvor noch nie realisiert. Aus diesem Grund haben wir Rondo von Anfang an als Vorzeigeprojekt gesehen." Von dieser unternehmerischen Tugend profitieren nicht zuletzt die Eigentümer und Mieter. Und zwar spätestens dann, wenn die nächste Energierechnung ins Haus flattert. Der Heizwärmebedarf liegt bei 20 bis 22 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr.

Die Akribie im Detail beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Haustechnik. Auch in den Wohnungen selbst wurde planerische Sorgfalt an den Tag gelegt. Durchgehende Holzböden, schwellenlose Übergänge auf die Loggien und zahlreiche Blickbeziehungen zwischen hier und dort sowie – im Falle der Maisonettes – zwischen unten und oben sorgen für gehobenes Wohngefühl. "Wir haben Wert darauf gelegt, dass sich jede einzelne Wohnung ihren eigenen Reiz bewahrt", sagt Pernthaler. Eine der 66 Wohnungen war so reizvoll, dass der Architekt samt Familie gar selbst einzog.

Andere Bewohner werden dafür außen vor gelassen: Durch die Lavendelstauden auf den Flachdächern werden Mücken und Gelsen für immer und ewig vom Grundstück verbannt. Die nervigen Blutsauger können den ätherischen Ölen nichts abgewinnen. Architektur kennt eben keine Grenzen. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.11.2009)