Johann Kollwencz ist schon ein wenig weinselig, als er seinen Witz zum Besten gibt. Es geht um einen Einbrecher, zu dem eine Stimme sagt: "Ich sehe dich - und Jesus auch." Und am Ende des Witzes stellt sich heraus: Jesus ist ein Rottweiler, und der Einbrecher steht blöd da.
Der derbe Spaß kommt gut an in dieser Runde. Kollwencz ist einer der 25 Gäste in der "Großhöfleiner Zeche". Die ÖVP Burgenland hat ins einzige Wirtshaus des 1800-Einwohner-Ortes zum "Sicherheitsabend" geladen. Kurz vor sieben Uhr trifft Inspektor Ernest Bogner von der Kriminalpolizei aus Eisenstadt ein. Auch Sigi Waha, der sich mit seinem Elektrogeschäft auf Alarmanlagen spezialisiert hat, wird referieren und hofft auf großes Publikum. Botschaft des Abends: Wie sich lautere Bürger vor Einbrechern, Taschendieben und Trickbetrügern schützen können.
Fluchtweg Autobahn
"Es passiert schon mehr", sagt Thomas Ondrag, der ÖVP-Vizebürgermeister von Großhöflein. Mit der Ostöffnung sei die Sicherheitslage "einfach schlechter geworden", erklärt der Ortsparteichef und ergänzt: "Wir sind an der Autobahn, da können die Täter schnell flüchten und nach Ungarn abtauchen." Von Ernest Bogner, dem aus der benachbarten Landeshauptstadt angereisten Polizisten, erhoffe er sich praktische Tipps.
Bogner soll ihn nicht enttäuschen. Doch als der Polizist anheben will, fällt ihm eine Frau im grauen Hosenanzug ins Wort. Die Sicherheit sei ja "sehr brisant", das Thema komme schließlich "jeden Tag in den Medien", will Franziska Huber, Landtagsabgeordnete der ÖVP, noch kurz erklären. Inzwischen wird eine Unterschriftenliste durchgereicht: "Das Kreuz muss bleiben". Alle unterschreiben, einer murmelt etwas von "linksradikalen Volltrotteln in Italien".
Sicherheitsrisiko: Gekippte Fenster
Dann legt Bogner los. Er führt die Gäste in die Denkweisen des Einbrechers ein: beliebte Opfer, beliebte Tatzeiten. Ein Profi brauche nicht mehr als 15 Sekunden, um mit einem Brecheisen eine Tür zu öffnen. "Ein gekipptes Fenster", warnt Bogner seine Zuhörer, "ist für den Täter ein geöffnetes Fenster." Sigi Waha, Alarmanlagen-Lobbyist in eigener Sache, wird später zum Kauf eines Sicherheitssystems raten: "Eine Attrappe auf die Wand picken, das wird nix nutzen." Die Frage, was das koste, kontert er: "Was kostet ein Auto?"
Der Kriminalpolizist Bogner rät auch zu Bewegungsmeldern: "Ein Täter steht nicht gern im Licht." - "Ja, und dann rennt ein Marder vorbei, und die ganze Nacht brennt's. Jetzt bei der Stromnachzahlung hat mich der Schlag getroffen", erregt sich eine Zuhörerin. Bogner empfiehlt, das Licht anders einzustellen. "Aber mein Mann sagt: Wenn ein Auto vorbeifährt, das will er auch wissen." Bogner schaut ratlos.
Das Publikum ist neugierig. "Was ist ein Sicherheitsfenster", fragt eine Dame. "Welche Bedingungen muss ich erfüllen, damit ich eine Waffe besitzen kann", will ein Herr erfahren. Bogner spielt Videos von Einbrechern und Trickdieben vor. Die Zuschauer kommen in Fahrt.
"Mit dem Baseballschläger zuschlagen"
"Die Kalaschnikow zeigen und Schluss ist", entfährt es Johann Kollwencz. Doch Bogner will keinesfalls zum Waffenbesitz ermuntern. "Die Waffe kann auch gegen Sie verwendet werden", erklärt Bogner. Kollwencz will es jetzt genau wissen. "Herr Inspektor, Auge in Auge, Faust gegen Faust, Messer gegen Messer, Pistole gegen Kalaschnikow: Wie viel darf ich machen?" Bogner verweist auf den Notwehrparagrafen. Kollwencz stellt klar: "Ich hätte keine Hemmungen, den mit dem Baseballschläger zu erschlagen, und ich hätte keine Gewissensbisse, den mit dem Gewehr zu erschießen." Seine Begründung: "Dem Gesindel kannst du mit demokratischen Mitteln nicht Herr werden."
Bogner versucht alle Fragen umfassend zu beantworten, aber auch pädagogisch zu wirken. Eine Frau schüttelt über den erwähnten Notfallparagrafen den Kopf: "Aber mein Leben geht doch vor." Eine Waffe müsse man anmelden, unter strengen Auflagen, sagt Bogner noch einmal. "Muss ich das mit einer Schreckschusspistole auch machen", denkt ein Gast laut. "Wenn der Einbrecher mit meinem Rembrandt unterm Arm davonrennt, dann darf ich doch schießen, weil das ja mein Hab und Gut ist", beharrt Hannes Buchinger, selbst ÖVP-Gemeinderat. Bogner bemüht sich zu bremsen. "Bitte hört's ma auf", ruft er. "Das darf nicht einmal die Polizei." Und nach weiteren Fragen mahnt der Polizist eindringlich: "Da geht's um Notwehr. Es muss einen unmittelbar drohenden Angriff geben." Er wiederholt das dreimal.
Für geschlossene Ostgrenze
Am selben Vormittag lief im Parlament in Wien die Sicherheitsdebatte. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache meinte, "kaum ein Bürger ist nicht von Kriminalität betroffen". Das Burgenland verzeichne "in manchen Bereichen einen Kriminalitätsanstieg von 40, 50 und 60 Prozent", donnerte Strache ins Plenum. Der verurteilte BZÖ-Sicherheitssprecher Peter Westenthaler sprach von Einbruchserien, "besonders stark an der Ostgrenze".
Pensionist Josef Nagelreiter hat im ORF zugeschaut und trägt nun im Großhöfleiner Wirtshaus seinen Teil zur Diskussion bei. "Man muss die Grenze zumachen wie bei einem Planquadrat", sagt er. Die Polizei sei überlastet, einigt man sich in der Runde. "Die Kiberer erwischen nur die, die vom Wirtshaus heimfahren", sagt einer. Schnell schweift der Diskurs aus. Nagelreiter erregt sich nun über schlecht bereifte Lastwagen vom Balkan. "Die kommen aus Serbien herauf, aber da gibt's keinen TÜV!"
"Bei Banküberfall: Kopfschuss"
Die Diskussion kreist nun diffus um das Thema "Ausländer". Einer will über Arigona reden. "Ich würd' den Polizisten in Krems einen Orden verleihen", wirft Kollwencz ein. Sein Rat an die Bundesregierung: "Wenn man ein Schild aufstellen würde 'Bei Banküberfall: Kopfschuss', dann gäbe es in zwei Wochen keine Banküberfälle mehr." Ob er für die Todesstrafe eintrete? "Selbstverständlich."
Landtagsabgeordnete Franziska Huber bekommt von all dem nichts mehr mit. Sie ist wenige Minuten nach ihrer kurzen Rede gegangen. Vizebürgermeister Ondrag sagt zum Schluss, er hoffe, nun habe jeder "eine gesunde Portion Misstrauen" mitbekommen. Eines gilt in Wien wie in Großhöflein: Der Wähler hat Recht. (Lukas Kapeller, derStandard.at, 23.11.2009)