Brüssel - Während der Verhandlungen über die Besetzung von EU-Spitzenposten hat der belgische Ministerpräsident Herman Van Rompuy laut einem Zeitungsbericht zweimal den Posten des EU-Ratspräsidenten abgelehnt. Nach Angaben der Brüsseler Tageszeitung "Le Soir" verweigerte Van Rompuy zweimal in den Tagen vor dem EU-Gipfel vergangenen Donnerstag ein derartiges Angebot, weil er sich nicht ausreichend unterstützt fühlte.

Die Zeitung interpretierte rückwirkend auch Van Rompuys Aussagen im belgischen Parlament eine Woche vor dem EU-Gipfel in diesem Sinne. Damals hatte der belgische Ministerpräsident erklärt: "Ein Premierminister ist kein Kandidat für eine derartige Funktion ... Wenn sich dennoch ein Konsens im Europäischen Rat abzeichnet, kann sich die Person einer solch wichtigen Funktion nicht verweigern." Damit habe Van Rompuy signalisiert, dass er nicht für den Posten des EU-Ratspräsidenten zur Verfügung stehe, wenn die Entscheidung nicht einstimmig von den 27 EU-Staaten getroffen werde, schreibt "Le Soir".

Van Rompuy wurde vergangenen Donnerstag vom EU-Gipfel einstimmig als erster Präsident des Europäischen Rates bestellt. Als wahrscheinlichster Nachfolger des flämischen Christdemokraten in Belgien gilt Ex-Ministerpräsident Yves Leterme. In Belgien hat der Wechsel von Van Rompuy Sorge vor neuer politischer Instabilität hervorgerufen. Neben Van Rompuy wurde am Donnerstag von den EU-Staats- und Regierungschefs die britische Handelskommissarin Catherine Ashton zur ersten EU-"Außenministerin" ernannt.

"SZ": EU-Parlament will künftige Kommissions-Vizepräsidentin genau prüfen

Zwischen dem Europäischen Rat und dem Europaparlament gibt es nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" Streit darüber, ab Ashtonihr Spitzenamt antreten darf. Werner Langen, Chef der Unionsgruppe im EU-Parlament, sagte dem Blatt, die vom Rat bereits gewählte Britin werde "genau und vorbehaltlos" geprüft werden.

"Sie muss sich der Anhörung und Abstimmung stellen", erklärte auch der Fraktionschef der Sozialisten, Martin Schulz. Da Ashton als "Außenministerin" gleichzeitig Vizepräsidentin der Kommission ist, muss sie dem Parlament schriftlich und mündlich ihre Kompetenzen nachweisen.

Ashton müsse nachweisen, "dass sie als Außenministerin einen diplomatischen Dienst mit mehreren tausend Beamten aufbauen kann", sagte der CDU-Politiker Langen. Das Amt als Außenministerin stelle "gewaltige Anforderungen" an die bisherige EU-Handelskommissarin. Der liberale Europa-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff rechnet damit, dass die Parlamentarier nach einer Anhörung Ashtons im auswärtigen Ausschuss bis Mitte Dezember eine Vorentscheidung über die fachliche und persönliche Eignung treffen werden. "Wenn wir dabei feststellen, dass sie als Vizepräsidentin nicht geeignet ist, darf sie auch nicht Außenministerin sein", sagte Lambsdorff der "SZ". Dann müsse der Rat eine neue Kandidatin vorschlagen.

Der Rat besteht bisher darauf, dass die Britin bereits ab 1. Dezember als Hohe Repräsentantin für Außenpolitik amtiert. An diesem Tag tritt der EU-Vertrag von Lissabon in Kraft. An dem Tag nimmt auch der neue ständige Ratspräsident Herman Van Rompuy seine Arbeit auf. Das Parlament stimmt jedoch erst Ende Jänner ab. Die Staats- und Regierungschefs hatten auf ihrem Sondergipfel Ashton zur "Außenministerin" und den belgischen Regierungschef Van Rompuy zum Ratspräsidenten gewählt.