St. Pölten - Wegen Mordes an seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau und versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt musste sich ein 65-Jähriger am Montag am Landesgericht St. Pölten verantworten. Nach der Bluttat am 15. Juni 2008 in Artstetten hatte er sich in seinem Bauernhaus im Bezirk Melk verschanzt und vor seiner Festnahme einen Polizeihund erschossen. Der Prozess war für zwei Tage anberaumt, ein Urteil sollte es am Dienstag geben.

Staatsanwältin Michaela Obenaus-Zimmel zufolge zeige sich der Beschuldigte nur eingeschränkt geständig. Sie zeigte den Geschworenen eingangs ein drastisches Foto der mit dem Gewehrkolben eingeschlagenen Windschutzscheibe des Pkw. Kurz darauf habe der Angeklagte der vor Angst "wie versteinert" im Wagen sitzenden 57-Jährigen in den Hals geschossen.

Im Zuge seiner Festnahme gaben Cobra-Beamte zur Eigensicherung Schüsse auf den Oberkörper des Mannes ab - seitdem sitzt er im Rollstuhl. Die Staatsanwältin betonte dazu, dass er zuvor ein "vitaler, brutaler" Mann gewesen sei, der seine Frau beschimpft und geschlagen habe. Die Ehe des Nebenerwerbsbauern und Jägers sei von jahrelangen Streitigkeiten geprägt gewesen. 2005 zog die vierfache Mutter einen Schlussstrich und zog in eine Wohnung in Artstetten. Eine einvernehmliche Scheidung scheiterte 2007.

Am 14. Juni war der damals 63-Jährige im Kreise von Jagdkollegen bei einer Geburtstagsfeier in Spitz an der Donau, von wo er am folgenden Morgen nach Artstetten fuhr, um seiner Frau bei ihrem sonntäglichen Kirchgang aufzulauern. Er beschimpfte sie und fuhr ihr dann nach der Messe zu ihrem Wohnhaus nach. Nach der Schussabgabe habe er zu der Sterbenden noch ".. ich danke dir" gesagt - und zu den Nachbarn, die auf das Verbrechen aufmerksam geworden waren: "Jetzt könnt's schauen kommen."

Dann fuhr der Pensionist zu seinem Wohnhaus in einem kleinen Ort, wo er sich mit einem zweiten Gewehr bewaffnete. Auch stundenlange Verhandlungen der Polizei, die auch seinen Sohn und Neffen einschaltete, bewegten den mit Selbstmord drohenden Mann nicht zur Aufgabe. Als drei Cobra-Beamte in den Hof eindrangen und den Diensthund vorschickten, feuerte der Mann sofort auf das Tier und wollte sich auch dann noch zur Wehr setzen, als er bereits selbst verwundet am Boden lag.

Der Angeklagte schilderte mit weinerlicher Stimme, dass er sich immer um seine Frau "bemüht" und sie "bis zur letzten Sekunde gern gehabt" hätte. Richter Peter Kotynksi hielt ihm Aussagen seiner Kinder vor, wonach Bedrohungen und Schläge auf der Tagesordnung gewesen waren. An jenem Morgen habe er seiner Frau eine größere Summe übergeben wollen, die sie gefordert hatte. Die 57-Jährige habe das Geld aber nicht angenommen, rechtfertigte er, warum er der Frau von der Kirche zu ihrem Wohnhaus folgte. "Trottel, warum hast' denn jetzt g'schossen", habe er sich unmittelbar nach der Tat gedacht. Sein Verteidiger sprach von einer Art "kranker Liebe". Zeugen schilderten das spätere Opfer als ruhig und bescheiden. Dass sich die Frau von ihrem Mann bedroht fühlte, war ihnen bekannt. (APA)