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Die GPA-djp fordert die Erhöhung der Nettoersatzrate von derzeit 55 auf mindestens sechzig Prozent des letzten Nettoeinkommens.

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Seit Vizekanzler Josef Pröll ein Transferkonto ins Spiel gebracht hat, das alle Sozialleistungen auflisten soll, ist eine Debatte darüber entbrannt. Politiker sind sich nicht einig, ob es eine Neid- oder eine Umverteilungsdebatte ist, geschweige denn ob ein Transferkonto kommen und was es alles beinhalten soll. Nun startet die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) eine Aktionswoche unter dem Motto "Der Job ist weg - die Fixkosten bleiben" und fordert die Erhöhung der Nettoersatzrate von derzeit 55 auf mindestens sechzig Prozent des letzten Nettoeinkommens.

Laut Gewerkschaft lag im Dezember 2008 das durchschnittliche Arbeitslosengeld bei 805,90 Euro, mit deutlichen Unterschieden zwischen Männer und Frauen und das bei einer Armutsgefährdungsschwelle von 912 Euro. Die Notstandshilfe kam auf durchschnittlich 602,7 Euro. "Wer behauptet, das ist die berühmte soziale Hängematte, der hat keine Ahnung von den Lebensumständen arbeitsloser Menschen", sagte GPA-djp-Vorsitzender Wolfgang Katzian. 

Arbeitslosigkeit kein Randthema

"Arbeitslosigkeit ist längst kein Randgruppenthema mehr", so Katzian. Jeder fünfte Arbeitnehmer werde pro Jahr arbeitslos, und in der momentanen Wirtschaftskrise werde diese Zahl weiter steigen. "Arbeitslosigkeit ist für die Betroffenen und ihrer Familien eine extreme finanzielle und psychische Belastung", so Katzian bei einer Pressekonferenz. Dort wurde eine von der Gewerkschaft in Auftrag gegebene IFES-Studie zur materiellen Situation von Arbeitslosen, präsentiert. Demnach kommen 43 Prozent der befragten Arbeitslosen mit der derzeitigen Unterstützung nicht aus, für 48 Prozent reicht es gerade aus.

Katzian sieht angesichts der Ergebnisse keine Neiddebatte. "Die von einigen gewollte Spaltung, hier Arbeitnehmer, da Arbeitslose gibt es nicht. Weil viele Menschen realistischerweise davon ausgehen, dass sie in Zukunft betroffen sein könnten." Laut IFES-Studie sind 34 Prozent aller Befragten sehr dafür und 37 Prozent eher dafür, den im internationalen Vergleich eher niedrigen Arbeitslosenbezug zu erhöhen. Zwar seien die Menschen in Österreich bezüglich der Arbeitsmarktsituation sehr realistisch eingestellt, jedoch würden mehr als die Hälfte nicht Bescheid wissen, wie viel Arbeitslosengeld sie im Falle eines Jobverlusts bekommen würden.

Derzeitige Regelung

Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes beträgt derzeit 55 Prozent des früheren Nettoeinkommens, eventuell erhöht durch Familienzuschlag und Ergänzungsbeitrag. Das höchstmögliche Arbeitslosengeld ohne Zuschläge liegt bei 1.316,1 Euro. Bei erstmaliger Inanspruchnahme muss man innerhalb der letzten zwei Jahre mindestens 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. "Wir brauchen eine bessere finanzielle Absicherung von Arbeitslosen und ihrer Familien", forderte Katzian. Dazu zähle eben die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf mindestens sechzig und mittelfristig auf siebzig Prozent.

Kosten würde die Anhebung auf 60 Prozent knapp unter 300 Millionen Euro. Katzian will dafür neue Einnahmenquellen für das Budget beschließen, er peilt im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit vermögensbezogene Steuern an.

Mitterlehner sieht zu wenig Leistungsanreiz

Wirtschaftsminister Mitterlehner stellte bei der gestrigen ORF-Diskussion "Im Zentrum" in Frage, ob es derzeit genug Leistungsanreize gibt und will deshalb das Transferkonto eingeführt sehen. "Wir stehen nicht für eine Neiddebatte, sondern wir stehen für eine bessere Steuerung des Systems. Wir möchten das Sozialsystem absichern, nicht gefährden und niemandem etwas wegnehmen."

Alois Guger, Sozialexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO, sieht in Österreich wiederum schon derzeit ein sehr leistungsorientiertes System und kritisiert den Widerspruch, von Treffsicherheit zu sprechen und andererseits in den Bundesländern weniger bedarfsgeprüfte Leistungen einzusetzen. Er glaubt, dass man auch Treffsicherheit erreiche ohne alle Leistungen prüfen zu müssen. Michaela Moser von der Armutskonferenz betonte, man müsse den derzeitig diskutierten Leistungsbegriff überdenken und auch unentgeltliche Leistungen wie Kinderbetreuung in Betracht ziehen. "Es ist kein Gegensatz sich zu Leistung einerseits und zu sozialer Gerechtigkeit andererseits zu bekennen", kommentiert Bundespräsident Heinz Fischer die aktuelle Verteilungsdiskussion in seiner Wiederantrittsrede. (krm, derStandard.at, 23.11.2009)