Wien - Wer in den letzten Jahren regelmäßig mit Simon Rattle, dem Chef der Berliner Philharmoniker, über die Salzburger Osterfestspiele sprach (deren Leiter er als Berliner-Chef ist), der vernahm von ihm einen Orchesterwunsch übermittelt: Salzburg möge bitte etwas mehr Zuneigung (wohl vor allem finanzieller Natur) zeigen. Bei aller Diplomatie war jedoch immer klar: Die Geduld der Berliner, die in Salzburg Oper spielen, ist enden wollend.

Und: Rattle und seine Musiker würden irgendwann ernsthaft darüber nachdenken, Salzburg zu verlassen. Dazu bedurfte es nur eines Auslösers, wie jenes Angebots durch Baden-Baden, das vor einigen Wochen ruchbar gewordenen ist: nämlich dort ein neues Osterfestival zu gründen, und dies wohl unter weitaus besseren Bedingungen als in Salzburg.

Längst Geschichte sind ja jene Zeiten, da Festivalgründer Herbert von Karajan als Herr der sommerlichen Festspiele (und König der Plattenindustrie) für finanzielle Synergien zwischen seinen Plattenproduktionen wie den Festivals sorgen und so auf Subventionen für Ostern verzichten konnte. Mittlerweile wandeln die Osterfestspiele auf dünnem Finanzeis. Ein Opernflop kann zu erheblichen Löchern im Budget führen.

Dies bedeutet ein Dauerärgernis, das ein Orchester von Weltrang wie die Berliner Philharmoniker ein bisschen unter seiner Würde empfinden mag. Schließlich beschert es Salzburg durch seine Präsenz zusätzlich Renommee und Umwegrentabilität. Nun ist die Krise da. Denn die Lösungsvorschläge sind auch nicht unheikel. Der zukünftige Intendant der Salzburger Festspiele, Alexander Pereira, will die Ostern-Oper (mit den Berlinern als Orchester) im Sommer übernehmen. Es ginge wieder um Synergien. Pereira muss allerdings achtgeben, dass sich die empfindlichen Wiener Philharmoniker in ihrer Salzburger Dominanz nicht allzu sehr gefährdet sehen. Und ob man Pereira als Sommerchef auch am österlichen Programm mitregieren lassen wird, müsste auch noch geklärt werden.

Künstlerisch hätte diese Variante allerdings ihre Reize: Im sommerlichen Salzburg ein zweites Spitzenorchester Oper spielen zu lassen, würde auch die Wiener Philharmoniegeister beleben. (Heraus-)gefordert, sind sie ja fast unschlagbar ... Für etwaige Mehrkosten hat Pereira übrigens die Deutsche Bank gewonnen.

"Spätestens in zwei bis drei Monaten" , so Pereira zum Standard, "wird eine Entscheidung fallen. Es wäre ein erheblicher Prestigeverlust für die Stadt Salzburg, würden die Berliner abwandern." Das wäre es tatsächlich. Allerdings sollte man im Zuge der Diskussion das österliche Festivalmodell im Gesamten überdenken. Ganze zwei Opernvorstellungen bietet man (nach vielen Proben) in Salzburg, diese Struktur gilt es aufzusprengen. Aber auch das kostet.

Ohne mehr Geld würden allerdings auch keine andere Lösungen funktionieren, falls die Berliner wirklich nach Baden-Baden abwandern. Ob die Sommerfestspiele nämlich die Osterfestspiele gänzlich übernehmen und die Wiener Philharmoniker die Rolle der Berliner Kollegen einnehmen (oder ein anderes Orchester): Die Kosten blieben in Salzburg. Am elegantesten wäre es, die Politik würde versuchen, die Berliner unter besseren Bedingungen zu halten. Denn gar keine Festspiele zu Ostern - das wäre eine peinliche und nur auf den ersten Blick billige Lösung. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD/Printausgabe 24.11.2009)