Foto:

"Sie haben Ihren Bestimmungsort erreicht." Das existenzielle Flair von der menschlichen Bestimmung, die uns Navigationsgeräte im Auto vermitteln, ist auf Apples iPhone übergegangen. Der Navigationshersteller Tomtom hat die Wandlung seiner Pfadfinderdienste von speziellen Geräten zu Software auf dem iPhone jetzt mit einem "Car-Kit" abgeschlossen: eine Hardware-Ergänzung, um die Navilösung perfekt zu machen.

Skurrile Entwicklung

Es ist eine etwas skurrile Entwicklung: zuerst Software, um 100 Euro eine der teuren Applikationen im App Store (erschien im Spätsommer). Dann dazu Hardware um 115 Euro, in Summe schließlich eine iPhone-Navigation, die mehr kostet als vergleichbare Einsteigergeräte von Tomtom.

Mit einigen Einschränkungen funktioniert die Navi-App so wie Tomtoms Auto-Navigeräte; bis zum jüngsten Update fehlten Fahrspurassistent und Radarwarnungen. Etliche User berichteten über Probleme mit der Software bei Updates. Völlig unverständlich ist, dass der niederländische Hersteller noch immer im Kalten Krieg lebt und "Osteuropa" extra gekauft werden muss - sogar für Griechenland (!) sind 60 Euro fällig.


Vor- und Nachteile

Die Software am Handy hat Vorteile: Sie kann Kontakt-Adressen verwenden, "Points of Interest" im Kartenmaterial können angerufen werden. Einstweilen macht die Tomtom-Software keinen Gebrauch von der Datenfähigkeit des iPhone, um aktuelle Verkehrsinformation zu verwerten. Das iPhone-Display ist etwas kleiner als das von Tomtom-Geräten, dafür reagiert Apples Touch-Screen wesentlich besser als der von Tomtom.

Der GPS-Empfang ist wegen kleinerer Antennen schlechter als bei Navis

Die reine Softwarelösungen für Navi am Handy hat aber auch wesentliche Nachteile: Es fehlt eine zum Autofahren unerlässliche Halterung. Die Lautstärke der iPhone-Lautsprecher reichen im Auto nicht aus. Und für die strom-saugende Navigation muss auf jeden Fall eine Stromversorgung via Zigarettenanzünder her. Das größte Manko: Der GPS-Empfang ist wegen kleinerer Antennen schlechter als bei Navis.

Um all das zu lösen, hat Tomtom seit kurzem ein Car-Kit zur iPhone-App auf den Markt gebracht. Und das verwandelt das iPhone tatsächlich in eine komplette Navigationslösung für das Auto. Ähnlich wie Tomtoms eigene Geräte wird das Car-Kit mit einem großen Saugnapf an der Windschutzscheibe montiert; das eingesteckte iPhone lässt sich hoch- oder querdrehen, die Navisoftware passt sich dabei an. Strom kommt jetzt aus der Steckdose, das GPS-Signal wird durch einen in der Halterung integrierten GPS-Empfänger verstärkt ebenso wie der Ton über die eingebauten Lautstärker. Damit wird das Car-Kit (auch ohne die Navigation zu verwenden) zur Freisprecheinrichtung für das Handy. Wer ein Radio mit Klinkenstecker hat, kann das Car-Kit damit verbinden und Ansagen oder Telefonate über das Autostereo laufen lassen (das Mikro im iPhone ist erstaunlich brauchbar bei Telefonaten). Eingehende Anrufe unterbrechen die Navigation, beim Auflegen wird jedoch automatisch fortgesetzt.

Eine billigere Alternative zu Tomtom, deren Navigation und Kartenmaterial in Tests und Urteil von iTunes-Kunden teils besser abschneidet als Tomtom, bietet der deutsche Hersteller Navigon. Navigon glaubt an das geeinte Europa (41 Länder im Kartenmaterial enthalten) und bietet um 20 Euro zusätzlich für zwölf Länder, darunter Österreich, die Integration von Verkehrsmeldungen in die Routenplanung.

40 Euro

Auch Navigon hat eine Autohalterung im Angebot, die nur rund 40 Euro kostet, aber außer Strom aus der Steckdose kein zusätzliches GPS und auch keine zusätzlichen Lautsprecher anbietet. Allerdings verstärkt ein passiver Resonanzraum die Lautstärke des iPhones selbst. Bei Tests gewinnt man jedoch den Eindruck, dass Navigon aus dem im Handy integrierten GPS mehr herausholt; der Satellitenempfang scheint weniger oft verloren zu werden als beim Tomtom ohne Car-Kit. Dafür setzt das Programm nach einem Telefonat nicht automatisch fort.

In Anbetracht der mit eigenen Navigeräten vergleichbaren Kosten bietet sich Navi am Handy eher nur dann an, wenn man etwa häufig mit Mietautos unterwegs ist: Dann braucht man nur die Halterung zusätzlich mitzunehmen. Noch eine Verwendung wäre ideal: Navigation auf Städtereisen, da das Kartenmaterial am Handy hohe Roamingkosten für Google Maps sparen würde. Aber dazu fehlt es (noch?) an brauchbaren Modi für Fußgänger- und Öffi-Navigation. (Helmut Spudich, DER STANDARD Printausgabe, 24. November 2009)