
Gertrude Schatzdorfer, Karl Aiginger, Christoph Leitl, Alexandra Föderl-Schmid, Markus Roth und Hans Staud (v. li.) klopfen KMUs auf ihre Krisenresistenz ab.
Wien - Karl Aiginger sieht auf kleine und mittlere Betriebe harte Zeiten in Österreich zukommen. Zwar sei der Tiefpunkt seit dem Sommer durchschritten, aber die Wirtschaft erhole sich nur sehr zögerlich. Vor allem auf kleine Unternehmen kämen große Finanzierungsprobleme zu, warnt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts. Ihre Bonitäten verschlechterten sich, einen Kredit bekäme nur, wer beweisen könne, dass er eigentlich keinen brauche.
Er wolle nicht von einer großen Kreditklemme sprechen. Es werde aber gerade für Kleine zunehmend schwierig, an Kapital zu kommen, sagt Aiginger im Rahmen einer von Standard und Wirtschaftskammer veranstalteten Podiumsdiskussion in Wien über Chancen und Herausforderungen für KMU in der Krise.
Kleine Betriebe verfügten in der Regel über wenig Eigenkapital, viele seien stark kreditfinanziert. Reale Kreditzinsen seien hoch, die Finanzierung über Anleihen für sie kaum möglich. Und der Markt für Venture-Capital funktioniere in Österreich nach wie vor nicht, sagt Aiginger: Wer innovativ sei und rasch wachsen wolle, habe ein Problem.
Kleine Betriebe zahlten meist jeden Cent zurück - "durch uns wurden die Spielereien der Banken im Osten ermöglicht", ärgert sich Konfitürenhersteller Hans Staud. Viele fühlten sich jetzt von ihnen, aber auch von Kreditversicherern hängen gelassen: "Grundlos" würden da die Kreditrahmen plötzlich um bis zu 30 Prozent gekürzt.
"Haften mit dem Handtuch"
Staud will seine Manufaktur in Wien stark ausbauen, ist dabei aber zwischen Ottakring und Brünn hin und her gerissen, erzählt er. Er wolle ja in Wien bleiben, unterm Strich käme ihm das aber um gut 40 Prozent teurer. Er vermisse die Unterstützung der Politik, Bürgschaften etwa, Haftungen für Minikredite.
"Wir haften mit unserem privatem Handtuch." Er lasse sich daher auch nicht gerne von Einkaufsmanagern großer Konzerne belehren, die meinten, er müsse seine Preise senken. "Die meisten sind Manager auf Zeit, die nicht einmal mit ihrem Monatsgehalt haften."
Rund ein Drittel der kleinen Unternehmen fühlten sich derzeit von Banken nicht gut betreut, beobachtet auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. Er plädiert für eine Öffnung der ERP-Kredite nach unten. Diese Kleinkredite kommen derzeit erst ab einer Mindestsumme von 10.000 Euro zum Einsatz.
Leitl sieht die KMUs in Österreich trotz der Krise gut unterwegs. Sieben von zehn Unternehmen würden die kommenden drei Monate durchwegs optimistisch sehen: Einer Nussschale gleich schaukelten sie zwischen den Wellen auf hoher See. Eine neue Studie der Creditreform, die jüngst ein düstereres Bild vermittelte, bezeichnet er als nicht repräsentativ. Von rund 40 Prozent der Unternehmen mit sinkenden Umsätzen war darin die Rede, und von einem Drittel, die demnächst Personal abbauen wollen.
Gertrude Schatzdorfer reiht sich nicht darunter. Die Geschäftsführerin des gleichnamigen Gerätebauers stockt die Zahl ihrer 70 Mitarbeiter in Oberösterreich auf und investiert sechs Millionen Euro in eine neue Fertigungshalle, berichtet sie. Die Krise habe auch sie getroffen. Wie viele andere kleine Betriebe habe sie aber in guten Zeiten vorgesorgt. "KMUs denken in Generationen, sie reagieren rascher und sind stabiler als Große", ist sie sich sicher. Es hapere aber mit der Solidarität untereinander.
Neue Nischen werden frei
Markus Roth, Chef des Softwareentwicklers Creative Bits und neu gewählter Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft, ortet in der Krise neue Chancen für Kleine: Auch er mit seinem Betrieb könne nun in Nischen vorstoßen, die zuvor Große besetzten. Man ziehe hochqualifizierte Mitarbeiter an, die vorher überwiegend Konzernen vorbehalten waren. Aufholbedarf sieht auch er bei der Finanzierung. "Ein Kapitalfreibetrag wäre ein Traum."
Für Schatzdorfer ist höhere Flexibilisierung der Arbeitszeiten das Gebot der Stunde. "Wir brauchen sie." Die Politik rede seit Jahren davon, passiert sei nichts. Die Instrumente der Kurzarbeit seien für kleine Betriebe weder salonfähig noch wirtschaftlich, meint sie. "Wir wollen Reformen, und zwar sofort."
Das gelte auch für das Pensionssystem. "Es zeichnet sich ein Generationskonflikt ab, der sich gewaschen hat." Halbherziges Sparen sei angesichts der hohen Staatsverschuldung nicht länger möglich.
Über die Notwendigkeit des Sparens sind sich auch Aiginger und Leitl einig. Zuvor, und zwar 2010, brauche es aber noch Wachstumspakete, "um nicht im eigenen Saft zu schmoren" sagt Leitl. Auf seiner Liste: jährlich 300 Mio. Euro für thermische Sanierung, Handwerkerboni, geringere Kreditgebühren, Kreditsicherungen und Internationalisierungsoffensiven. Aiginger pocht auf höhere Forschungsprämien. Auf das Gewicht des Wachstumspakets will er sich nicht festlegen. Er sehe jedenfalls wenig Bereitschaft zu Reformen, die nach der Krise wieder Geld einbrächten. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Printausgabe, 25.11.2009)