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Die Kohlendioxid-Emissionen, wie sie aus der Nutzung von Erdöl und Kohle, aber auch Erdgas entstehen, müssen zurückgehen, fordern Klimaforscher.

Foto: REUTERS/Ajay Verma

Im Vorfeld der Kopenhagener Klimakonferenz fordern Wissenschafter rasches Handeln gegen den Klimawandel. Das Zeitfenster, in dem die Emissionen zurückgefahren werden müssen, beträgt nur mehr bis zu zehn Jahre.

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"Der Spielraum ist so gut wie ausgeschöpft" - auf diesen Nenner brachte der Innsbrucker Glaziologe Georg Kaser den vom Menschen verursachten Klimawandel. Zusammen mit 25 anderen Wissenschaftern, die wie er an früheren Berichten des Weltklimarates IPCC mitgearbeitet haben, fordert er von den Politikern bei der kommenden Klimakonferenz in Kopenhagen eine schnelle und deutliche Aktion: Um die Erderwärmung halbwegs im Zaum zu halten, müssen die globalen Emissionen in spätestens fünf bis zehn Jahren ihren Gipfel überschritten haben und dürfen anschließend nur mehr abnehmen.

Nur mit einer raschen Aktion kann das Ziel erreicht werden, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, so die Autoren in ihrer Studie, die sie in Anbetracht der kommenden Klimakonferenz "Copenhagen Diagnosis" genannt haben. Darin haben sie neue Beobachtungen und Erkenntnisse beschrieben, die im letzten Sachstandsbericht des IPCC aus dem Jahr 2007 noch nicht inkludiert waren. Diese Zwei-Grad-Grenze ist insofern wichtig, als die Klimaforscher davon ausgehen, dass eine darüber hinausgehende Erwärmung unbeherrschbare Probleme - Meeresanstieg, Überflutungen, Stürme - mit sich brächte. Das absolute Maximum an Treibhausgas-Emissionen sollte jedenfalls vor 2020 erreicht sein, erklärt Kaser. Und je später der Umstieg auf treibhausgasfreie, alternative Energien durchgeführt wird, desto schneller muss die Zurücknahme des Treibhausgasausstoßes danach stattfinden. Aufgrund der Höhe der Treibhausgas-Konzentration und der Langlebigkeit der Treibhausgase in der Atmosphäre müssen Kohlendioxid-Emissionen noch in diesem Jahrhundert fast auf null gesenkt werden (siehe Grafik).

Die Kernaussagen der Studie gehen über die schlechtesten Klima-Prognosen früherer IPCC-Berichte (also die Prognosen, wo ungebremste Nutzung fossiler Energien auf ungebremstes Wirtschaftswachstum samt steigender Weltbevölkerung stoßen) weit hinaus, erläuterte Kaser. Da in den letzten Jahren keinen nennenswerten Korrekturen beim Energieverbrauch einsetzten, stieg auch die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre auf einen neuen Rekordwert.

Ohne deutliche Verminderung der Emissionen könnte die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um bis zu sieben Grad Celsius ansteigen. Dies wäre ein Szenario, das die schlimmsten Berechnungen des IPCC noch übertreffen würde. Seit dem Jahr 1900 wird eine Zunahme von einem Grad Celsius auf das Konto anthropogener, also menschlicher Gründe zurückgeführt.

Die Kernaussagen der Studie:

  • Sowohl der Grönländische als auch der Antarktische Eisschild verlieren zunehmend Masse und tragen damit zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Und das "arktische Meereis ist außer Rand und Band", wie es Kaser formuliert.
  • In den vergangenen 15 Jahren ist der Meeresspiegel um mehr als fünf Zentimeter angestiegen. Durch den Schmelzwasserzufluss von Eisschilden und Gebirgsgletschern könnte der Pegel bis zum Jahr 2100 global um mehr als einen Meter bis maximal zwei Meter ansteigen.
  • Im Jahr 2008 wurden rund 40 Prozent mehr Kohlendioxid aus fossilen Quellen freigesetzt als im Jahr 1990. Selbst wenn die Emissionen nicht weiter zunehmen, würde schon innerhalb von 20 Jahren die Situation eintreten, dass das Zwei-Grad-Ziel nicht mehr eingehalten werden kann.
  • Keinen Zweifel gibt es für Kaser, dass die Erderwärmung vom Menschen verursacht ist. Umso mehr ärgern ihn die Zweifel, die insbesondere Internet-Poster häufig anbringen. Selbst die Meldung, die Erderwärmung mache derzeit Pause und es werde jetzt einmal eine Zeit lang wieder kälter, hält er für Humbug. Die statistischen Aufzeichnungen zeigten das Gegenteil. Abnehmende Temperaturen gebe es lediglich in kurzen Zeiträumen, also etwa bei Ein-Jahres-Vergleichen. (ruz/DER STANDARD, Printausgabe, 25.11.2009)