Wien - Während sich die Studenten im Audimax zusammenrotten, versammelten sich die Wiener Schülervertreter vergangenen Donnerstag im Gemeinderatssaal des Wiener Rathauses, um ihr erstes SchülerInnenparlament (SiP) dieses Schuljahrs abzuhalten.
"Wir, die Schüler von heute, sind die Studenten von morgen!", hieß es auch im SchülerInnenparlament. Eine hitzige Debatte darüber, ob sich die Wiener Landesschülervertretung, kurz LSV, mit den Uni-Protesten solidarisieren solle, kam ins Rollen.
"Wollen wir unsere Bildung wirklich in die Hände der älteren Generation legen?", fragte Max Hoffmann, Schulsprecher des BRG Gymnasiumstraße. Marlene Stahrmüller, Schulsprecherin der Modeschule Hetzendorf, und die Schülervertreter im SiP waren sich jedoch einig: "Der freie Bildungszugang darf nicht erst an der Universität realisiert werden, sondern muss schon beim Kindergarten anfangen und sich auch auf die Schule ausweiten."
Nicht nur an den Unis sei die Bildungssituation zu hinterfragen, sondern auch im Schulwesen, stand für die Teilnehmer fest. Einige Anträge behandelten auch das Thema einer besseren Ausbildung für Lehrer. So forderte Kathrin Nasr, Schulsprecherin des Billrothgymnasiums, verpflichtende Mediationsausbildungen für Klassenvorstände, die dadurch ihres Amtes besser walten könnten: "Die Klassengemeinschaft und in weiterer Folge auch das Klassenklima könnten verbessert werden", führte Nasr aus. Zudem gelte es, Konfliktmanagement und den Umgang mit den Erziehungsberechtigten zu erlernen, meinte die Schülerin.
Kritik an Lehrbüchern
Auch die Lehrbücher und deren Inhalte wurden kritisch betrachtet: "Nennt mir fünf für die Geschichte bedeutsame Frauen - ich würde wetten, euch fallen keine fünf ein", hieß es zum Antrag der Umgestaltung des Geschichtsunterrichts. Als Antwort hörte man Maria Theresia, Marie Curie, Sissi und Kleopatra aus dem Plenum.
"Überall werden heute noch Frauen diskriminiert: Sei es auf der Straße oder im Berufswesen. Ich fände es gut, die Stellung der Frauen in der Geschichte zu betonen, man sollte aber auch auf der aktuellen Situation aufbauen", kritisierte Marlene Stahrmüller.
Auf die Frage nach einer ausführlicheren Behandlung des Nationalsozialismus in Geschichtsbüchern ertönte ein mehrheitliches Stöhnen, da dieses Thema ständig im Unterricht auftauche. "Ich bin dafür, dass alle Kriegsverbrechen mit einbezogen werden, da diese im Unterricht ohnehin selten diskutiert werden und einfach viel zu kurz kommen", bemängelte Bedi Boztepe, Mitglied der LSV.
Ein weiterer Antrag betraf den Wunsch nach einem offeneren Klassenklima, abseits von Lehrereingriffen und einer guten Klassengemeinschaft. So wurden zum Beispiel das Nichtaufstehen am Anfang der Stunde sowie das Essen, Trinken und Benutzen der Toiletten während des Unterrichts eingefordert. "Ich bin dafür, unter diese absurden hierarchischen Mechanismen - wie das Aufstehen zu Stundenbeginn - einen Schlussstrich zu ziehen", meinte Franz Wilding, Antragsteller und Schulsprecher der HTL Ottakring. Seitens der Schülervertreter gingen die Meinungen dabei jedoch auseinander, da diese Geste von vielen Schülern als Höflichkeit gegenüber den Lehrern bewertet wurde.
Anlässlich der derzeitigen Debatten der Lehrervertreter über eine andere "Bestrafung" der Schüler und die Einführung von Time-out-Klassen wurde der Antrag gestellt, das Team-Teaching unter den Schülern zu fördern und den Einsatz von Schulpsychologen und Sozialarbeitern zu erweitern. Damit solle gewährleistet werden, dass verhaltensauffällige Schüler nicht, wie nach Wunsch der Lehrer, vom regulären Unterricht ausgeschlossen werden, sondern dass Stützlehrer in solchen Klassen eingesetzt werden.
Weiters fehle es an Softskills und Berufsorientierung an den Gymnasien, weshalb beschlossen wurde, diese in den Unterricht einzubeziehen und Bewerbungstrainings anzubieten. Pia Bauer, Landesschulsprecherin der AHS, brachte einen Antrag zur Verbesserung der Demokratie an Schulen ein, der eine von den Schülervertretern einberufene Schülervollversammlung beinhaltete. Oft fehle die Zeit, die Meinungen und Ansichten aller Schüler zu bestimmten Themen anzuhören, führte sie aus. "Gerade in unserer Zeit sollte Zeit kein Grenzfaktor für Demokratie sein", meint Patrick Mokre, Schulsprecher der Sir-Karl-Popper-Schule. (Selina Thaler, DER STANDARD, Printausgabe 25.11.2009)