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Großer Medien-Rummel im Kremser Landesgericht: Es wird ein ganz normaler Einbruch in einen Supermarkt verhandelt - bei dem aber der 14-jährige Freund des Angeklagten durch Polizeischüsse ums Leben kam. Der Polizeieinsatz ist hier noch kein Thema

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Erster Prozess nach dem Supermarkteinbruch in Krems, bei dem ein 14-Jähriger durch Polizeischüsse ums Leben kam. Sein 17-jähriger Komplize, der selbst verletzt worden war, wurde - nicht rechtskräftig - verurteilt - Von Roman David-Freihsl 

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Wien - Roland war bei dem Einbruch im Kremser Supermarkt durch beide Oberschenkel geschossen worden. Er wurde im selben Krankenwagen transportiert wie der 14-jährige Florian, der ebenfalls von den Polizisten angeschossen worden war. Roland musste zusehen, wie sein bester Freund mit dem Tod rang. "Er ist schon härter bestraft, als ihn dieses Gericht je verurteilen könnte", sagt Rolands Verteidiger Clemens Lahner. "Er weiß, dass sein Leben so nicht weitergehen kann."

Lehre abgebrochen

Ein Leben, mit dem der inzwischen 17-jährige Roland noch nie zurecht gekommen war. Im Heim, in dem er teilweise aufwuchs, gab es bereits Probleme, weil er sich "nicht an die Regeln gehalten" hatte, wie es im Bericht des Jugendamtes heißt. Eine begonnene Lehre brach er ab - ohne Hauptschulabschluss fand er keinen neuen Job.

Mit 16 hatte er bereits zwei Vorstrafen auf dem Buckel. Einbruchsdiebstähle, "sinnlose G'schichten", sagt Richter Gerhard Wittmann am Mittwoch im Kremser Straflandesgericht. Schuhe hatten sie gestohlen, versucht, den Geldautomaten einer Garage zu knacken.

Im Oktober 2008 war Roland aus der Haft entlassen worden - und konnte wiederum nichts anderes tun, als nichts zu tun. "Das AMS kurz besucht", berichtet er, "Bewerbung schreiben lernen, Arbeit finden." Und wieder aufgeben.

Kein Job, keine Perspektive

Da lernte er auf der Lerchenfelder Schulwiese den 28-jährigen Rumänen Eugen kennen. Bei ihm fand er Anschluss, bei ihm konnte er wohnen - und sah wieder nur die gleichen Probleme. Eugen saß daheim mit sechs Kindern - zwei hatte seine Partnerin in die Beziehung mitgebracht. Kein Job, keine Perspektive. Sogar der Antrag auf Privatkonkurs war abgewiesen worden, mangels Kostendeckung.

"Wir brauchten Geld"

"Wir brauchten Geld", murmelt Roland, "Wohnung, Benzin." Da habe er im Juni die Idee gehabt, im Kiosk der Kremser Badearena einzubrechen. Dort erbeuteten sie 400 Euro. Zwei Wochen später ärgerte sich Eugen, dass ihm der Besitzer einer Pizzeria, in der er kurz als Tellerwäscher gearbeitet hatte, noch 800 Euro schuldete. Die wollte er sich selbst holen. Bei diesem Einbruch erbeuteten sie lediglich Traubensaft im Wert von 20 Euro.

Und dann die Nacht vom 4. auf den 5. August 2009. Ein Freund, der Alex, hatte Roland den Zund gegeben, dass man im Kremser Merkur viel Geld holen könne. Unterwegs holten sie den 14-jährigen Florian ab, mit dem Roland schon vor der ersten Haft unterwegs gewesen war.

Eugen brachte Roland und Florian nur in die Nähe des Supermarktes. Dort trafen die beiden Alex, der ihnen das Tor vom Lieferanteneingang hochhielt, selbst aber draußen blieb. Florian und Roland gingen ins Büro, fummelten am verschlossenen Tresor und am PC herum - und wollten dann eigentlich wieder gehen.

"Und dann kam die Polizei"

"Und dann kam die Polizei", schließt Richter Wittmann den Bericht abrupt ab. Denn warum und wie die Beamten auf die Jugendlichen schossen, soll erst in einem eigenen Verfahren am Landesgericht Korneuburg erörtert werden.

Hier geht es etwa um Fragen, ob niemand die Idee hatte, den Kleinen draußen aufpassen zu lassen? "Nein, es ging sehr schnell", sagt Roland. Warum sie sich Geschirrtücher vors Gesicht gebunden hatten? "Wegen der Überwachungskameras." Und wie er sich jetzt sein weiteres Leben vorstelle? "In Gerasdorf (also in der Haft, Anm.) eine Lehre machen. Später in Wien arbeiten", sagt Roland.

"Sonst ist die Stein-Karriere programmiert"

Das Schöffengericht verurteilt Roland zu 18 Monaten unbedingter Haft - die auf Bewährung ausgesetzte Vorstrafe über insgesamt 20 Monate wird aufgehoben. "Offenbar kann dieses Leben so nicht weitergeführt werden", begründet Richter Wittmann das Strafmaß. Roland solle in der Justizanstalt Gerasdorf die Möglichkeit bekommen, seinen Hauptschulabschluss nachzuholen und eine Lehre abzuschließen, "sonst ist die Stein-Karriere programmiert. Vielleicht geht's - ich will nicht sagen in einem geschützten Umfeld, aber mit einem gewissen Zwang und Druck", sagt Wittmann. Roland erbittet sich Bedenkzeit, das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der bisher unbescholtene Eugen fasst ebenfalls 18 Monate aus - davon sechs unbedingt. Eugen nimmt das Urteil sofort an. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe 26.11.209)