v.l.n.r.: Martin Prager (UBIT Österreich),  Friedrich Kofler (Obmann der  UBIT Wien), Georg Kainz (quintessenz) und Bernd Funk (Universität Wien)

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"Auch in Österreich wird nächstes Jahr gewählt, wenn Politiker glauben, dass ihnen die Umsetzung dieser Richtlinie Stimmen kosten wird, werden sie diese nicht umsetzen", glaubt Georg Markus Kainz von der Bürgerrechtsorganistation "quintessenz". Die Rede ist von der EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die Internetanbieter und Telefonnetzbetreiber zwingt, verdachtsunabhängig alle Handystandortdaten und Kommunikationsverbindungsdaten aller Bürger zu speichern. 

Die bevorstehende Umsetzung beziehungsweise die Verhinderung dieser Richtlinie war das Thema des letzten "q-talk" in diesem Jahr im vollbesetzten Raum D des Wiener Museumsquartiers. Dabei wurde vor allem etwas klar: Viele Fragen zur Umsetzung sind noch unbeantwortet, sowohl technische als auch rechtliche. Deshalb argumentierte Kainz gegen die Richtlinie: "So lange die Probleme nicht gelöst sind, darf man das Gesetz nicht erlauben."

Richtlinie als „Quadratur des Kreises"

Besonders diskutiert wurde der von Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) in Auftrag gegebene Entwurf der Telekommunikationsgesetznovelle des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte, der eine Mindestumsetzung der Richtlinie gewährleisten soll. Bis fünfzehnten Jänner läuft die Begutachtungsfrist des Gesetzesentwurfs, so lange sehen die Gegner der Vorratsdatenspeicherung noch Chancen. Jeder kann dazu Stellung nehmen.

Der Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk sieht den Entwurf als "wohldurchdacht und im Interesse des Datenschutzes optimiert", glaubt aber, dass der Entwurf angesichts der komplexen rechtlichen und technischen Materie einer "Quadratur des Kreises" gleichkomme. Ein grundsätzliches Problem dabei sei auch, dass Juristen und Techniker vermehrt unterschiedliche Sprachen sprechen würden, und sich deshalb nur schwer verstehen. Als "unverzichtbaren Angelpunkt" sieht er die richterliche Entscheidung vor dem Zugriff auf gespeicherte Vorratsdaten durch die Behörden.

Tausche Datenschutz gegen Speicherung

Das Motto der Veranstaltung "Tausche Datenschutzkommission gegen Vorratsdatenspeicherung" bezog sich laut Kainz auf die Argumentation der heimischen Politik: Bei Nichtumsetzung der Richtlinie würde eine Verurteilung im bereits anhängigen Vertragsverletzungsverfahren drohen und deshalb sei die Vorratsdatenspeicherung in Österreich zwingend notwendig. Gleichzeitig laufen aber laut Kainz schon 18 Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich, unter anderem wegen einer fehlenden weisungsfreien Datenschutzkommission. Die Option, die Richtlinie erst gar nicht umzusetzen, wollte Funk nur vorsichtig kommentieren. "Es ist ein riskantes Verfahren die Richtlinie nicht umzusetzen, es ist aber auch ein nicht unriskantes Verfahren die Richtlinie umzusetzen." 

Wirtschaft übernimmt staatliche Aufgaben

Martin Prager, vom Fachverband der Unternehmensberater und IT-Dienstleister (UBIT) in der Wirtschaftskammer, schätzte sich glücklich, dass vom Boltzmann-Institut von Beginn an viele verschiedene Interessensgruppen, vor allem auch Kritiker in die Diskussion mit einbezogen wurden. "Mir gefällt der Entwurf, sofern wir gezwungen werden ihn umzusetzen, sehr gut." Ihm ist vor allem die Rechtssicherheit für die Unternehmen ein Anliegen. "Aus Sicht der Wirtschaft wollen wir das absolute Minimum der Umsetzung. Warum soll die Wirtschaft staatliche Aufgaben übernehmen und für etwas bezahlen, dass der Staat in Auftrag gibt?" Laut Prager sind vom derzeitigen Entwurf österreichweit 28 Internetprovider zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet, da Klein- und Kleinstunternehmen von der Speicherpflicht ausgenommen sind. Bei den Telefonieanbieter wären alle betroffen.

Viele offene Fragen

Die Diskussion zeigte, viele Fragen bezüglich der Vorratsdatenspeicherung sind offen oder unklar. Für viele die Kernfrage: Bei welchen Straftaten dürfen die Behörden ermitteln? Ursprünglich war die Richtlinie zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität gedacht. „Aber genau diese Personen wissen, wie man der Überwachung entgeht", sagt Kainz. „So wie die Richtlinie derzeit ist, kann sie auch um Straftaten erweitert werden, natürlich immer unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit", so Funk.

Er gibt aber zu bedenken, dass „Sicherheitsbehörden immer klammheimlich versuchen solche Maßnahmen für präventive Zwecke zu verwenden." Vorratsdatenspeicherung darf laut Entwurf "zum Zweck der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten" erfolgen. Im Telekommunikationsgesetz können aber diese Straftaten nicht definiert werden. Auf andere Gesetzesbereiche kann der Entwurf des Boltzmann-Instituts nicht einwirken, da der Auftrag lediglich vom Infrastrukturministerium stammt.

Verstoß gegen Grundrechte

Andere offene Fragen sind mögliche Verstöße gegen die Eurpäische Menschenrechtskonvention und die Grundrechtecharta, der Schutz von Amts-, Berufs- und Redaktionsgeheimnissen von Ärzten, Rechtsanwälten und Journalisten, der Opferschutz oder die Frage wie von der Ermittlung Betroffene von den Behörden informiert werden und welche Rechtsmittel dagegen angewandt werden können. Auf der technischen Seite bleibt vor allem die Frage offen, für welche Daten ein Richterbeschluss gelten würde und was von den Internet- und Telefonnetzanbieter schlussendlich den ermittelnden Behörden übergeben müsste. 

Mögliche Auswege

Eine Nichtigkeitsklage kommt für Österreich nicht in Frage, da der Richtlinie auf EU-Ebene zugestimmt wurde. Als mögliche rechtliche Auswege um der Vorratsdatenspeicherungen zu entgehen, wurde neben dem Risiko eine Verurteilung Österreichs in einem Vertragsverletzungsverfahren zu riskieren, unter anderem auch auf die Entwicklungen in Deutschland und Rumänien verwiesen. Diese könnten auch auf Österreich Auswirkungen haben. In Deutschland sei die Zivilgesellschaft schon weiter, über 34.000 Beschwerden würden seit der Umsetzung schon beim Verfassungsgerichtshof in Karlsruhe liegen, hieße es.

Kainz gibt sich kämpferisch: „Ich will mich nicht auf die Freunde in Rumänien und den großen Bruder in Deutschland verlassen. Nur weil beim aktuellen Entwurf viele gute Leute eingebunden waren, heißt das nicht, dass wir die Umsetzung überhaupt verhindern werden." Die Bürgerrechtler sehen unter anderem den aktuellen Pakt der Oppositionsparteien, Zweidrittelmehrheiten im Nationalrat zu blockieren, als Chance um der Vorratsdatenspeicherung zu entkommen. (Michael Kremmel, derStandard.at, 26.11.2009)