Eines kann man mit Sicherheit behaupten: Bob Dylan legt im Alter keinen besonderen Wert auf seine Außenwirkung. Nachdem der Alte während der vergangenen Jahre nicht nur für den Papst, sondern auch für Victoria's Secret sang, akustisch eine Automobilwerbung behübschte und mit seiner Radioshow Theme Time Radio Hour zur US-amerikanischen Entsprechung von Poidingers Plattenkiste oder Günther Schifters Schellacks wurde, ist nun der absolute Härtetest angesagt. Dylan trägt sich in die große Liste amerikanischer Entertainer ein, die pflichtschuldig ein Mal im Laufe ihrer Karriere ein Weihnachtsalbum auf den Markt gebracht haben.
Christmas In The Heart
Nachdem er in besagter Radioshow schon einmal Lieder zum Thema kompiliert hatte, schien es ihn nun selbst zu jucken. Mit seiner derzeitigen Tourband und Gästen wie dem TexMex-Akkordeonspieler David Hildago liegt nun mit seinem neuesten Studioalbum unter dem Titel Christmas In The Heart möglicherweise die größte akustische Herausforderung vor, mit der sich getreue Fans herumschlagen müssen.
Dylans eigenwillige 15 Vertonungen traditioneller Weihnachtslieder dienen zwar einem guten Zweck, die Erlöse des Albums gehen an US-amerikanische und britische Wohltätigkeitsorganisationen wie Feeding America, die Bedürftige über die Feiertage mit Nahrungsspenden versorgen wollen - der Zweck heiligt also die Mittel -, dennoch rumpeln Lieder wie Here Comes Santa Claus, O Little Town of Bethlehem oder Winter Wonderland und Silent Night sowie die atemberaubend räudige Deutung von Little Drummer Boy ziemlich nervenbelastend um die Ecke.
Ganz im Stile seiner heurigen eigenen Songsammlung Together Through Life arrangiert Dylan dabei das belastete Material wahlweise als aus der Zeit gefallenen Western-Swing, als Rhythm 'n' Blues, Boogie oder Country. Er erzielt dabei die maximale Schockwirkung. Immerhin hat man sich an Dylans zerbröselnde und immer stärker einem chronischen Hustenanfall angelehnte Gesangsstimme zwar über seine letzten Arbeiten gewöhnt. Wo er aber sonst bei eigenen Songs im bescheidenen Rahmen seiner Möglichkeiten bleibt, stellt die Melodieführung der Fremdkompositionen eindeutig eine zu hohe Hürde dar. Bizarr und verstörend.
If On A Winter's Night ...
Ebenfalls schon besser bei Stimme war der britische Superstar Sting. Nach einer zweijährigen Welttournee mit seiner alten Band The Police keucht und raspelt er sich mitunter nur schwer zu ertragend affektiert auf dem Album If On A Winter's Night ... durch ebenfalls 15 weihnachtlich beziehungsweise winterlich gestimmte Lieder aus fünf Jahrhunderten.
Nicht gerade unbescheiden stellt er dabei eigene Kompositionen neben Stücke von Franz Schubert, Henry Purcell oder Johann Sebastian Bach. Er setzt auf rein akustisches Instrumentarium und Streicherschmelz. Das Prädikat "Besonders wertvoll" und der "Deutsche Schallplattenpreis" dräuen im naturverhallten Studioraum in der eigenen Villa in der Toskana. Bauchige Rotweingläser, gefüllt mit Flaschen im Wert eines Mittelklassewagens stehen auf einem Beistelltischchen. Kurz, das Album hinterlässt einen ziemlich schalen Nachgeschmack.
Midwinter Graces
Auch Tori Amos entdeckt nur sechs Monate nach ihrem letzten Studioalbum Winter und Weihnachten, wobei man der amerikanischen Pastorentochter immerhin eine einschlägige Jugend als Kirchenmusikern zugutehalten kann. Im Gegensatz zu ihrem oft auch dem Affekt und der dramaturgischen Überladung verpflichteten Schaffen versucht sich Amos allerdings bei Interpretationen von Es ist ein Ros entsprungen (Holly, Ivy And Rose) und neuen, dem Thema verpflichteten Liedern wie Our New Year vor allem gesanglich zurückzuhalten und ökonomisch zu haushalten.
Dass auf diesem Album die Weihnachtsglocken schellen und das Orchester mitunter tief im Klischee badet, fällt zwar unter die Vorgaben des Genres, bevor der Kitschfaktor zu groß wird, überzeugt Amos allerdings mit wunderbaren Arrangements wie arabischen Streichermotiven etwa im Song Star Of Wonder.
Wer diese drei Alben allerdings auch nach dem 25. Dezember zu ertragen bereit ist, dem sei alle Hochachtung versichert. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Printausgabe, 27.11.2009)