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Smokey Robinson, Seelenmasseur

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Karl Fluch geht in die Knie

Smokey Robinson ist ein Mann für alle Fälle. Das ist das Beste und Schlechteste, was man über den heute 59-Jährigen sagen kann. Worst first: Wenn in den vergangenen Jahren die Rede auf den in Detroit geborenen Soulsänger kam, bedeutete das meistens, dass er bei irgendwelchen Promi-Begräbnissen ein Abschiedslied vergoss, elende Duette mit akuten R'n'B-Schabracken gab, nebst Dolly Par- ton Ehrendoktortitel empfing oder bei der Casting-Show American Idol den Juror spielte. Dabei verkörperte er jene Würdelosigkeit älterer Männer, von der man hofft, dass man nie das Geld für sie hat: Jahres-Abo beim Facelifter, Botox zum Frühstück, implantiertes Kampfgrinsen - das volle Jeannine-Schiller-Menü. Deshalb hatte man den eigentlich William Robinson gerufenen Soulsänger mehr oder weniger abgeschrieben.

Zum Guten: Er ist einer der Ewigen des Genres. Zwar nicht wegen der Alben, die er in den vergangenen Jahren produziert hat, aber aus Smokeys Feder stammen nicht nur - je nach Quelle - 4000 bis 5000 Songs, viele darunter haben Menschen glücklich gemacht, sie Kinderleins zeugen lassen und dafür gesorgt, dass heute noch Pärchen in Bars stehen und hin und wieder "Sie spielen unser Lied" sagen können. Smokey, der Romancer ganzer Generationen. Robinson war der Schattenkaiser des schwarzen Pop-Labels Motown: eine Song-Fabrik, deren am Fließband produzierte Hits ihr den selbstverliehenen Titel "Hitsville USA" einbrachte. 1959, 1960 war der von Berry Gordy gegründete Musikverlag angetreten, die weißen Teenager mit von Schwarzen produzierten und gesungenen Songs zu erobern - weltweit. Und Robinson war bei dieser Mission mit seiner Gesangstruppe, den Miracles, von Beginn an dabei und versorgte das Label mit Hits wie ein Milchmann seine Haushalte.

Dieses Talent anerkannten Größen und Zeitzeugen wie John Lennon oder Bob Dylan ebenso wie nachgeborene Künstler. Nach vielen Jahren und mitunter schrecklich überproduzierten, vollkommen überflüssigen oder zugekitschten Alben legt Robinson nun mit Time Flies When You're Having Fun ein Werk vor, das seinen legendären Ruf endlich auch wieder mit einer zeitgenössischen Arbeit belegt.

Schmeicheln und charmieren

Mit reduzierter Instrumentierung und einer intimen Produktion, in die sich Robinson zurücklegt wie in ein weiches Liebeslager, schmeichelt, charmiert und tiriliert er ohne eitles Gewese über das ewige Thema. Meist im Midtempo, in dem ein satt produziertes, lässig abgefedertes Schlagzeug Eindringlichkeit statt Aufregung besorgt. Dazu setzt es so slicke wie gefühlvolle Keyboard-Tupfer, während der Bass niederschwelligen Funk beisteuert. Sogar ein da und dort Einsatz findender Synthesizer - wie im verheißungsvollen Love Bath - funktioniert prächtig.

You're The One For Me, ein Duett mit der britischen Soul-Sängerin Joss Stone schmeichelt beiden, ebenso jenes mit India Arie. Und dass Carlos Santana für Please Don't Take Your Love ein Sackerl Noten vorbeibringt, schadet ausnahmsweise einmal gar nicht. An den richtigen Stellen fährt Smokey das Album herunter (Watcha Gonna Do) und kehrt den Stilisten hervor. Im Guten, denn statt ein Virtuosenprogramm zu fahren, lässt er unnötigen Tand weg, modelliert lieber einzelne Silben und erfreut sich an der Wirkung seiner Kunst: Yeah, Baby! Ich kann es immer noch. Und wie - vielleicht das Soul-Album des Jahres! (DER STANDARD, Printausgabe, 27.11.2009)